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EU-OSTERWEITEREUNG AUS
DEUTSCHER UND FRANZÖSISCHER SICHT


 

Nach dem Ende des Kalten Krieges und der Wiedervereinigung Deutschlands wurde die europäische Integration hauptsächlich von zwei Entwicklungen bestimmt. Zum einen stand die „Vertiefungsdynamik", die vor allem eine stärkere Einbindung Deutschlands in die Europäische Union zum Ziel hatte, und zum anderen stand die „Erweiterungsdynamik", die aus dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes resultierte, auf der europäischen Agenda. Während Frankreich seine Prioritäten auf eine Vertiefung der Europäischen Union setzte, war für Deutschland eine Osterweiterung von vorrangiger Bedeutung. Vor diesem Hintergrund lässt sich der gesamte Prozess der EU-Osterweiterung betrachten:

Einer der ersten Schritte in Richtung Osterweiterung waren die 1991 geschlossenen Assoziierungsverträge (Europa-Abkommen) mit Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn. Beim Europäischen Rat von Kopenhagen 1993 einigte man sich darauf, daß die assoziierten MOE-Staaten Mitglieder werden können, sobald sie die erforderlichen wirtschaftlichen und politischen Voraussetzungen erfüllen (sog. „Kopenhagener Kriterien"). Daneben wurde auch die Fähigkeit der Union zur Aufnahme neuer Mitgliedsstaaten als Kriterium eingeführt. In den darauffolgenden Jahren wurde der Zeitplan der Osterweiterung genau festgelegt und der Erweiterungsprozess eingeleitet, sodaß 1998 der Beitrittsprozess für alle 10 assoziierten MOE-Staaten eröffnet werden konnte. Die Erweiterungsstrategie sah vor, die Beitrittskandidaten sowohl durch Finanzhilfen als auch durch Teilnahme an bestimmten EU-Programmen auf den Beitritt vorzubereiten und in die EU-Entscheidungsprozesse einzuarbeiten. In einer ersten Phase wurden die Beitrittsverhandlungen mit Polen, Ungarn, Tschechien, Estland, Slowenien und Zypern aufgenommen. Als Grundlage für eine Erweiterung wurde die Agenda 2000 eingeführt, die eine Reform der EU-Förderinstrumente vorsieht. Hierzu zählen eine Reform der GAP (Gemeinsame Agrarpolitik), sowie die Neugestaltung der EU-Regionalpolitik und des Finanzrahmens 2000-2006.Nach Inkrafttreten institutioneller Reformen soll damit die EU ab 2003 beitrittsfähig für die erste Runde sein.

Ursachen für die unterschiedlichen Positionen Deutschlands und Frankreichs zur EU-Osterweiterung sind vor allem unterschiedliche nationale Interessen und unterschiedliche Perzeptionen. Das maßgebliche Ziel Deutschlands ist die politische und wirtschaftliche Stabilisierung Mittel- und Osteuropas durch eine Aufnahme in die EU, was sich unter der Prämisse „ Export von Stabilität, um den Import von Instabilität zu vermeiden" zusammenfassen lässt. In Frankreich wird dieser Bedrohungsfaktor jedoch nicht perzipiert, vielmehr liegt der französische Augenmerk in Richtung Mittelmeer angesichts der Entwicklungen im Irak und im Nahen Osten. Daneben lassen sich weitere Gründe anführen, die die französische Zurückhaltung gegenüber der Osterweiterung erklären. So befürchtet Frankreich nicht nur eine „Verwässerung" der europäischen Integration, sondern auch ein entstehendes Ungleichgewicht zugunsten Mittelosteuropas und zulasten der Mittelmeerländer. Außerdem sieht Frankreich große Probleme in dem Beitritt strukturschwacher Nationalökonomien und der damit verbundenen Reform der Agrar- und Strukturpolitik.

Nachdem jedoch Amsterdam keine Durchbrüche für institutionelle Reformen brachte und Frankreich von der Realität einer schnell voranschreitenden Osterweiterung eingeholt wurde, hat Frankreich seine anfängliche Ablehnung aufgegeben. Die Gipfel von Nizza und Laeken haben gezeigt, daß zuerst eine Reform der europäischen Institutionen notwendig ist, sobald diese durchgeführt sind, aber sofort die erste Beitrittsrunde beginnen kann. Somit können sowohl französische als auch deutsche Interessen in Einklang gebracht werden. Weiterhin ungeklärt bleibt jedoch das weitere Vorgehen gegenüber dem Beitrittskandidaten Türkei, was in der EU nicht nur zwischen Deutschland und Frankreich ein Streitthema ist.


Sonja SCHWARZ
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