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• Goethe, Beethoven und Europa
Auf deutscher Seite sind es Goethe und Beethoven, Heine, Schopenhauer und - cum grano salis - Wagner, welche die Einheit Europas geistig antizipieren, und kein Zweifel: Nietzsche gesellt sich ihnen zu. Warum gerade diese Namen? Goethe und Weimar wurden im frühen neunzehnten Jahrhundert zu einer europäischen Zentrale, in der Künstler und Gelehrte aus aller Welt einkehrten, und Goethes Idee der "Weltliteratur" hat zum ersten Mal ein rigoros metanationales ästhetisches Konzept entwickelt, das sich nicht einfach - wie vielfach angenommen wird - auf einen Kanon der überzeitlichen Werke aus allen Nationalliteraturen bezieht, sondern auf eine kommende Kommunikationsgemeinschaft der Autoren der verschiedenen Länder Europas, ja der Welt vorausweist. Für Goethe ist "Weltliteratur" die "unausbleibliche" Konsequenz aus dem immer unaufhaltsamer sich entwickelnden Internationalismus des Handels, "der sich immer vermehrenden Schnelligkeit des Verkehrs", der Technik und der Kommunikationsmedien, zumal der Zeitschriften. ©2000
Prof. Dr. Dieter BORCHMEYER - Prof. für Neuere Deutsche
Literatur an der Universität Heidelberg


Im Aphorismus 256 aus Jenseits von Gut und Böse findet sich eine scharfe Polemik Nietzsches gegen die nationalistische Politik des späten 19. Jahrhunderts: "Dank der krankhaften Entfremdung, welche der Nationalitäts-Wahnsinn zwischen die Völker Europas gelegt hat und noch legt, dank ebenfalls den Politikern des kurzen Blicks und der raschen Hand, die heute mit seiner Hilfe obenauf sind und gar nicht ahnen, wie sehr die auseinanderlösende Politik, welche sie treiben, notwendig nur Zwischenakts-Politik sein kann - dank alledem und manchem heute ganz Unaussprechbaren werden jetzt die unzweideutigsten Anzeichen übersehn oder willkürlich und lügenhaft umgedeutet, in denen sich ausspricht, dass Europa eins werden will."

Zu den Wegbereitern dieses auf seine "Synthesis" zustrebenden Europa gehört in Nietzsches Namensliste nur ein einziger Politiker: Napoleon, an dessen Verehrung schon Goethe, dessen Name hier unmittelbar folgt, gegenüber den deutschen Patrioten nicht zuletzt deshalb festgehalten hat, weil er - wie eine Zeit lang Beethoven und später Heinrich Heine - in ihm den Bahnbrecher einer europäischen Politik sah. Ansonsten sind es nur Dichter, Philosophen, Musiker, die für Nietzsche den "Europäer der Zukunft" vorwegnehmen: "Ich denke an Menschen wie Napoleon, Goethe, Beethoven, Stendhal, Heinrich Heine, Schopenhauer; man verarge mir es nicht, wenn ich auch Richard Wagner zu Ihnen rechne, über den man sich nicht durch seine eignen Missverständnisse verfuhren lassen darf".

Auf deutscher Seite sind es also Goethe und Beethoven, Heine, Schopenhauer und - cum grano salis - Wagner, welche die Einheit Europas geistig antizipieren, und kein Zweifel: Nietzsche gesellt sich ihnen zu. Warum gerade diese Namen? Goethe und Weimar wurden im frühen neunzehnten Jahrhundert zu einer europäischen Zentrale, in der Künstler und Gelehrte aus aller Welt einkehrten, und Goethes Idee der "Weltliteratur" hat zum ersten Mal ein rigoros metanationales ästhetisches Konzept entwickelt, das sich nicht einfach - wie vielfach angenommen wird - auf einen Kanon der überzeitlichen Werke aus allen Nationallitera-turen bezieht, sondern auf eine kommende Kommu-nikationsgemeinschaft der Autoren der verschiedener Länder Europas, ja der Welt vorausweist. Heine, der im Pariser Exil lebende deutsche Jude, der als solcher gegen alle nationalistische Verführung gefeit war und die Vermittlung deutscher und französischer Kultur zu seiner Lebensauf-gabe gemacht hat, bildet mit Goethe für Nietzsche das wichtigste Beispiel europäisch— deutscher Poesie, Schopenhauer steht für die Weltwirkung der deutschen Philosophie, Beethoven für diejenige der Musik, Wagner aber für die Synthese von Dichtung, Philosophie und Musik in einem übernationalen Sinne.

Musik und Philosophie sind die europäischen Ereignisse der deutschen Kultur schlechthin. Und diesen ihren europäischen Charakter zu wahren, sie vor dem Zurücksinken in blosse Nationalität zu bewahren, ist eine der Grundtendenzen Nietzsches. Am Schluss des Aphorismus 245 aus Jenseits von Gut und Böse heisst es etwa von Schumann - fraglos zu Unrecht -, er sei "nur noch ein deutsches Ereignis in der Musik, kein europäisches mehr, wie Beethoven es war ... - mit ihm drohte der deutschen Musik ihre grösste Gefahr: die Stimme für die Seele Europas zu verlieren und zu einer blossen Vaterländerei herabzusinken." Die Stimme für die Seele Europas, das ist für Nietzsche die Mission der deutschen Musik seit Mozart, der "in noch umfänglicheren Masse" als Beethoven ein europäisches Ereignis gewesen sei, aber nach Nietzsche noch ganz dem alten, vorrevolutionären Europa zugehörte, sich nicht wie Beethoven, wie Goethe oder Heine aus spezifisch deutschen Voraussetzungen über das Nur-Deutsche erhob.

Die deutsche Musik und Philosophie haben nach langer kultureller Verspätung erst im 18. Jahrhundert ihren Siegeszug angetreten, einen Siegeszug, der gleich über die deutschen Grenzen hinausführte. Die Musik der Wiener Klassik und die idealistische Philosophie waren unmittelbar europäische Ereignisse, bewirkten einen tiefgreifenden Paradigmawechsel im philosophischen wie musikalischen Denken. Das Gleiche war der deutschen Literatur, die ebenfalls im 18. Jahrhundert zu ihrem ersten grossen Aufschwung ansetzte, nur wenige Jahrzehnte beschieden. Was Nietzsche zu Unrecht für die deutsche Musik befürchtete, ereignete sich mit der deutschen Literatur nach dem Tode Goethes wirklich: sie sank von Heine abgesehen - bis zur nächsten Jahrhundertwende zu bloss nationaler Bedeutsamkeit herab, über die Goethe sie doch so entschieden hinauszuführen gestrebt hatte.

"Nationalliteratur will jetzt nicht viel sagen, die Epoche der Weltliteratur ist an der Zeit, und jeder muss jetzt dazu wirken, diese Epoche zu beschleunigen." So Goethe zu Eckermann in seinem Gespräch am 31. Januar 1831. Vor dem Hintergrund der von Deutschland ausgehenden, in der reichen Übersetzungstätigkeit manifesten kosmopolitischen Tendenzen des zeitgenössischen literarischen Lebens schrieb er einige Jahre vorher an Karl Streckfuss, den Übersetzer der italienischen Klassiker: "Ich bin überzeugt, dass eine Weltliteratur sich bilde", und er prophezeit: "Der Deutsche kann und soll hier am meisten wirken, er wird eine schöne Rolle bei diesem Zusammentreten zu spielen haben."

Diese Voraussage hat sich freilich kaum erfüllt. Wie die deutsche Literatur erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts als gleichrangiges, ja zeitweilig tonangebendes Instrument im Konzert der europäischen Literaturen hörbar wurde, so schien sie - wenigstens in den Ohren der meisten europäischen Hörer - mit dem Ausklang der Goethezeit für Jahrzehnte wieder zu verstummen. Weltbedeutung erlangten allein die deutsche Musik und Philosophie. Sie sind auf deutscher Seite die eigentliche "Weltliteratur" des 19. Jahrhunderts.

Es sei die spezifische "Bestimmung" der Deutschen, bemerkt Goethe 1820 in einem Brief, sich zu "Repräsentanten der sämtlichen Weltbürger" zu erheben, da sie zu keiner echten Nation zusammengewachsen sind. "Zur Nation euch zu bilden, ihr hoffet es, Deutsche vergebens; / Bildet, ihr könnt es, dafür freier zu Menschen euch aus." So lautete schon ein Xenion Goethes und Schillers. Dieser Appell ist auch der Ausgangspunkt für Goethes spätere Idee der Weltliteratur, um die sein Denken seit 1827 in Rezensionen, Aufsätzen, Briefen und Gesprächen immer wieder kreist.

Für Goethe ist "Weltliteratur" einer Aufzeichnung von 1830 zufolge die "unausbleibliche" Konsequenz aus dem immer unaufhaltsamer sich entwickelnden Internationalismus des Handels, "der sich immer vermehrenden Schnelligkeit des Verkehrs", der Technik und der Kommunikationsmedien, zumal der Zeitschriften. Goethe hat in seinen letzten Lebensjahren mit grosser Aufmerksamkeit das Aufblühen des europäischen Zeitschriftenwesens verfolgt und zumal die französischen Literaturjournale - in erster Linie die Romantikerzeitschrift "Le Globe" - studiert, ja aus ihnen exzerpiert und übersetzt. "Diese Zeitschriften, wie sie nach und nach ein grösseres Publikum gewinnen, werden zu einer gehofften allgemeinen Weltliteratur aufs Wirksamste beitragen", heisst es in einem Artikel Goethes über die "Edinburgh Reviews". Freilich betont er, "dass nicht die Rede sein könne, die Nationen sollen überein denken, sondern sie sollen nur einander gewahr werden, sich begreifen und, wenn sie sich wechselseitig nicht lieben mögen, sich einander wenigstens dulden lernen."

Deutlich ist hier wie immer, dass Weltliteratur für Goethe noch nichts Erreichtes ist, dass sie nicht nur die Vertrautheit des Gebildeten mit der Tradition fremdsprachiger Poesie meint sie gab es schon seit Jahrhunderten -, also weder die Gesamtheit noch den kanonischen Höhenkamm der Nationalliteraturen bezeichnet. Seine Konzeption der Weltliteratur ist weder eine kumulative noch qualitative Bestandsaufnahme, sondern Ankündigung eines "Gehofften", die Utopie einer erst zu "bildenden" gemeinsamen nationenübergreifenden Literatur.

"Wenn wir eine europäische, ja eine allgemeine Weltliteratur zu verkündigen gewagt haben", bemerkt Goethe anlässlich der "Zusammenkunft der Naturforscher in Berlin" (1828), "so heisst dieses nicht, dass die verschiedenen Nationen voneinander und ihren Zeugnissen Kenntnis nehmen, denn in diesem Sinne existiert sie schon lange, setzt sich fort und erneuert sich mehr oder weniger. Nein! hier ist vielmehr davon die Rede, dass die lebendigen und strebenden Literatoren einander kennenlernen und durch Neigung und Gemeinsinn sich veranlasst finden, gesellschaftlich zu wirken." Das ist eine bedeutsame Absage an den Genie- und Originalitätskult, an die Idee des individuellen Schöpfertums, welche das Bild zumindest des deutschen Künstlers und Schriftstellers seit dem Sturm und Drang so stark und im Grunde bis ins 20. Jahrhundert geprägt haben.

Goethe weiss genau, dass die deutschen Autoren Schwierigkeiten haben werden, sich der Idee einer dergestalt gesellschaftlichen Auffassung des Schriftstellertums anzuschliessen, denn sie lecken am liebsten ihre eigenen Wunden. Aufgrund eines Vergleichs der französischen Literaturzeitschriften mit deutschen Almanachen kommt Goethe zu dem Schluss, dass letztere "eigentlich nur Ausdrücke, Seufzer und Interjektionen wohldenkender Individuen" enthalten. "Jeder Einzelne tritt auf nach seinem Naturell und seiner Bildung; kaum irgend etwas geht ins Allgemeine, Höhere; [...] von dem, was Staat und Kirche betrifft, ist gar nichts zu merken." Obwohl Goethe ausdrücklich bekundet, er wolle das nicht tadeln, spürt man doch seine geheime Sympathie für eine Literatur, die wie in Frankreich "sich nicht einen Augenblick von Leben und Leidenschaft der ganzen Nationalität abtrennt", eine "öffentliche" Aufgabe wahrnimmt, auch wenn diese sich meist als "Opposition" gegen die bestehenden politisch-sozialen Zustände äussert.

Wahrend Goethe der zeitgenossischen deutschen Literatur sehr skeptisch gegenübersteht, da sie sich nach seinem Urteil, das freilich Züge des Vorurteils trägt, vom Banne romantischer Introspektion nicht lösen konnte, hat er die Spuren der jungen europäischen Literatur vor allem in Frankreich, Italien und England, aber auch in Osteuropa fasziniert verfolgt. Noch wenige Monate vor seinem Tod liest er Balzacs Roman Le peau de chaqrin, den er im Tagebuch vom 10.-12. Oktober 1831 als "Produkt eines ganz vorzüglichen Geistes" und "vortreffliches Werk neuster Art" bezeichnet - ein Urteil, das man unter seinen Meinungsäus-serungen zur deutschen Literatur der Gegenwart mit der Laterne suchen muss. Diese blieb ihm zu sehr in subjektivistischer Nabelschau stecken. Im Zeichen der sich bildenden Weltliteratur darf der moderne "Literator" indessen nicht mehr auf sich selbst bezogene Monade sein, sondern er muss "Gemeinsinn" entfalten, bemüht sein, "gesellschaftlich zu wirken".

In eben diesem Sinne haben Marx und Engels den Goetheschen Begriff der Weltliteratur im Kommunistischen Manifest aufgegriffen: "An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander. Und wie in der materiellen, so auch in der geistigen Produktion. Die geistigen Erzeugnisse der einzelnen Nationen werden Gemeingut.

Die nationale Einseitigkeit und Beschränktheit wird mehr und mehr unmöglich, und aus den vielen nationalen und lokalen Literaturen bildet sich eine Weltliteratur." Ganz ähnliche Ansichten wird wenige Jahrzehnte später Nietzsche vertreten. Über alle ideologischen Gegensätze hinweg verbindet Goethe, Marx und Nietzsche die Idee, dass die Weltliteratur aufgrund der Entwicklung der modernen Zivilisation und der Öffnung der Nationalstaaten an die Stelle der Nationalliteratur zu treten beginnt.

Den Zusammenhang von weltausgreifender geistiger und materieller Produktion, die Weltkultur durch den Welthandel, hat Goethe einmal in seinem Roman Wilhelm Meisters Wanderjahre durch das "Marktfest" symbolisiert, an dem die Zöglinge der Pädagogischen Provinz teilnehmen. Dieses Marktfest ist ein verkleinertes Abbild des Weltmarkts. "Alle Sprachen der Welt glaubt man zu hören." In der Pädagogischen Provinz sind Jünglinge "aus allen Weltgegenden" versammelt. "Um nun zu verhüten", so erfahrt Wilhelm Meister von dem Aufseher, "dass sich nicht, wie in der Fremde zu geschehen pflegt, die Landsleute vereinigen und, von den übrigen Nationen abgesondert, Parteien bilden, so suchen wir durch freie Sprachmitteilung sie einander zu nähern. ... Damit jedoch keine babylonische Verwirrung, keine Verderbnis entstehe, so wird das Jahr über monatweise nur Eine Sprache im Allgemeinen gesprochen; nach dem Grundsatz, dass man nichts lerne ausserhalb des Elements, welches bezwungen werden soll." Das sprachliche Bindemittel einer Weltzivilisation wird also eine sich wechselseitig befruchtende Vielheit von Sprachen sein, die den Imperialismus einer einzigen ausschliesst.

"Deutscher von Beruf" habe Goethe nie sein wollen, schreibt Nietzsche in Menschliches, Allzumenschliches. "Goethe stand über den Deutschen in jeder Beziehung und steht es auch jetzt noch: er wird ihnen nie angehören", heisst es in einem anderen Aphorismus. "Wie Beethoven über die Deutschen hinweg Musik machte, wie Schopenhauer über die Deutschen weg philosophierte, so dichtete Goethe seinen Tasso, seine Iphigenie über die Deutschen hinweg." Hier haben wir wieder die Trias Goethe, Beethoven und Schopenhauer als der Repräsentanten einer metanationalen literarischen, musikalischen und philosophischen Kultur der Deutschen. Der Dichter, der Musiker und der Philosoph, die Nietzsche zur Verkörperung des deutschen "Europäers der Zukunft" geworden sind, standen zur ihrer Zeit auch in persönlicher Verbindung miteinander, einer Verbindung, die freilich über distanzierte Sympathie nicht hinausging. In der Realität wollen sich die Geister, die man als zusammengehörig empfindet, leider nur selten zu der innigen Gemeinsamkeit verbinden, die man wünschen mochte. Die Allianz zwischen Goethe und Schiller war da eine wunderbare Ausnahme.

So wissen wir nicht einmal, ob Goethe, der sich in seinen Singspielversuchen, Lieddichtungen und seinen Bemühungen um literarisch-musikalische Mischformen, wie das Melodrama oder das Schauspiel mit Musik, zeitlebens um eine Symbiose von Wort- und Tonkunst bemühte, wirklich erkannt hat, dass sich im Falle der Egmont-Musik von Beethoven seine kühnsten Träume von dieser Symbiose verwirklicht haben. Gewiss hat er Friedrich Förster gegenüber 1821 dankbar anerkannt, dass Beethovens Komposition "mit bewundernswertem Genie in meine Intentionen eingegangen" ist. Doch warum hat er sich dann dem weiteren Werben des Komponisten um eine engere Zusammenarbeit entzogen? Dabei mag freilich Zelters entschiedene Abneigung gegen Beethoven eine Rolle gespielt haben. Goethe hat sich indessen wiederholt mit höchstem Respekt über ihn geäussert - "Zusammengefasster, energischer, inniger habe ich noch keinen Künstler gesehen", schreibt er am 1812 nach seiner Begegnung mit ihm in Teplitz an seine Frau -, er suchte Autographen von ihm zu erwerben und rühmte in einem Brief an Marianne von Willemer 1821, Beethoven habe in der "Komposition von Liedern", in welcher der Dichter doch so selten "durchdrungen" sei, wahrhaft "Wunder getan". Doch Beethovens "ungebändigte Persönlichkeit", wie er 1812 an Zelter schreibt, war ihm im Grunde ebenso fremd wie Beethoven Goethes noch von der späthöfischen Gesellschaft geprägte Lebensattitude.

Dass die beiden Königskinder der Literatur und Musik der Zeit nicht zusammenkommen konnten, ist ein Stück jener künstlerischen Tragik, die Goethes lebenslange poetische Annäherung an die Musik überschattet. Für die Nachwelt löst sich diese Tragik indessen auf - im Bewusstsein der inneren, wahrhaft europäischen Zusammenge-hörigkeit der beiden grössten deutschen Künstler an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, vom Ancien Regime zur Moderne. Das bedeutendste Dokument dieser Zusammen-gehörigkeit aber ist Beethovens Musik zu Goethes Egmont op. 84.


Veröffentlichungen

- Goethe. Der Zeitbürger, München 1999
- „Des Grauens Süsse". Annette von Droste-Hülsoff, München 1997
- Weimarer Klassik. Portrait einer Epoche, Weinheim 1994
- Die Götter tanzen Cancan. Richard Wagners Liebesrevolten, Heidelberg 1992



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