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• Die Ausrichtung der Allianz AG auf den veränderten Versicherungsmarkt
Das bedeutendste Ereignis in der Firmengeschichte der Allianz AG war der Erwerb der französischen AGF Gruppe. Für uns wie für andere international tätige Finanzgruppen ist es von erheblicher Bedeutung, eine bestimmte Größe zu erreichen, um produktiv und profitabel zu operieren. Es geht um Kostenvorteile: Je mehr Kunden und Verträge ein Unternehmen betreut, desto kostengünstiger können die Strukturen gestaltet werden. Größe ist auch notwendig, um neue Geschäftsfelder aufzubauen oder neue Vertriebskanäle zu erschließen. © 1999
Henning SCHULTE-NOELLE - Vorstandsvorsitzender der ALLIANZ AG, München


Das bedeutendste Ereignis in der Firmengeschichte der Allianz AG war im vergangenen Jahr der Erwerb der französischen AGF Gruppe, mit einem Finanzierungsaufwand von 9,1 Mrd. DM, die bisher bei weitem grösste Akquisition in der Geschichte unseres Unternehmens.

Mit diesem Erwerb nähert sich die Allianz AG schneller als erwartet und in grossen Schritten ihren strategischen Zielen.

Wir wollen in den für uns wichtigen Märkten zu den ersten fünf Versicherern gehören, wobei wir in dem zusammenwachsenden Europa allen Regionen grosse Bedeutung beimessen. Die Allianz erreichte bereits vor der AGF-Partnerschaft dieses Ziel in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, Ungarn, der Tschechischen und Slowakischen Republik. Nun befinden wir uns auch in anderen wichtigen europäischen Märkten unter den ersten fünf führenden Anbietern.

In Frankreich, dem fünftgrössten Versicherungsmarkt der Erde, kommt die Allianz von Platz 16 auf Nummer 3.

Auch in Spanien, Belgien, Irland und Griechenland erreichen wir die angestrebte Bedeutung, teilweise von kaum wahrnehmbaren Positionen ausgehend. Ausserdem nähern wir uns in den Niederlanden und Portugal der erwünschten Marktstellung.

Optimale Größe für die neuen Herausforderungen

Grösse kann, muss aber nichts mit Gigantismus oder gar Grössenwahn zu tun haben. Für uns wie für andere international tätige Finanzgruppen ist es von erheblicher Bedeutung, eine bestimmte Grösse zu erreichen, um produktiv und profitabel zu operieren. Es geht um Kostenvorteile bei der Bearbeitung und Verwaltung von Policen, bei der Produktentwicklung, bei der Schadenregulierung und bei der Streuung von Risiken. Das heisst grob gesagt: Je mehr Kunden und Verträge ein Unternehmen betreut, desto kostengünstiger können die Strukturen gestaltet werden. Eine bestimmte Grösse ist auch notwendig, um neue Geschäftsfelder aufzubauen oder neue Vertriebskanäle zu erschliessen. Hier haben die grösseren und bekannteren Spieler am Markt immer einen Wettbewerbsvorteil. Da auch die einzelnen Märkte zu grösseren zusammenwachsen -ich erinnere in diesem Zusammenhang an den europäischen Einigungsprozess, aber auch an die Handelsräume Nafta und Mercosur - erwarten wir, dass global aufgestellte Unternehmen dieser Entwicklung folgen. Dieser Trend wird noch dadurch verstärkt, dass nur grössere Unternehmen die notwendige Finanzkraft besitzen, neue und teure Informationstechnologien kostengünstig einzusetzen.

Auch unserem Ziel, eine führende internationale Rolle in Spezialmärkten einzunehmen, kommen wir durch die Akquisition der AGF ein Stück näher. Gemeinsam mit der zur AGF gehörenden Kreditversicherungsgruppe Euler ist die Allianz in diesem Geschäftsfeld in Europa die Nummer 1.

Als Anbieter von Assistance-Leistungen erreichen die Gruppenunternehmen Elvia-Reise von der Schweiz aus und die Mondial, eine Mehrheitsbeteiligung der AGF, weltweit eine führende Position.

Wir streben an, am hohen Wachstum der Versicherungsmärkte in den Emerging Markets teilzunehmen. Das betrifft nicht nur Zentral- und Osteuropa, sondern vor allem auch Südamerika und Asien-Pazifik. Das Engagement der AGF ergänzt hervorragend unsere bisherigen Aktivitäten in diesen Erdteilen. In Asien gelingt uns damit der Einstieg in schwierige Märkte wie z.B. Malaysia, in denen wir bisher nicht vertreten waren.

Unser Geschäftsfeld internationale Industrieversiche-rung wollen wir zur weltweit ersten Adresse ausbauen. Die AGF stärkt hier merklich unsere Position. Sie gehört zu den wichtigsten und renommiertesten Industrieversicherern, besonders in Frankreich, aber nicht nur dort. Marktführer ist die AGF in den Geschäftsbereichen Marine, Luftfahrt und in der Transportversicherung. Das heisst, wir können unsere anspruchsvollen Industriekunden dank dieses hinzugewonnenen Know--hows noch besser bedienen.

Das Vermögensmanagement soll zu einem profitablen Kerngeschäftsfeld entwickelt werden. Unsere Kapitalanlagen erhöhen sich mit der AGF um weitere etwa 75 Mrd. Euro auf deutlich über 330 Mrd. Euro. Die Grundlage für die Entwicklung unseres Kerngeschäftsfeldes wird damit erheblich verbreitert.

Dies macht deutlich, wie gut die AGF und die Allianz einander ergänzen und wie sehr sich ihre strategische Position damit verbessert.

Wichtig war es uns —ähnlich wie bei anderen Akquisitionen- klar zu signalisieren, dass wir uns als multilokales Unternehmen verstehen: mit lokalen Gesellschaften global präsent. Wir respektieren die französische Identität der AGF: Das Management ist französisch, das Unternehmen bleibt an der Pariser Börse notiert. Im Verwaltungsrat der AGF gibt es nur drei Allianz-Vertreter. Die AGF erhält zudem die territoriale Verantwortung nicht nur für Frankreich, sondern auch für die Benelux-Länder, Nordafrika und den Mittleren Osten sowie für Südamerika.

So wächst die Allianz-Gruppe mit der AGF zusammen in eine neue Dimension hinein. Über 80% unseres Geschäftes stammen aus dem europäischen Raum. Der Anteil des deutschen Umsatzes und der deutschen Belegschaft an der neuen Allianz-Gruppe wird nach der vollen Konsolidierung weniger als 40 % betragen. Noch vor 12 Jahren waren mehr als 80 % deutsches Geschäft. Die Allianz hat sich damit von einem deutschen zu einem globalen Unternehmen gewandelt, mit Europa als ihrem Heimatmarkt.

Deutscher und französischer Versicherungsmarkt: Parallelen und Unterschiede

Nach drei europäischen Richtlinien-"Generationen", d.h. nach ca. 20 Jahren sind heute die rechtlichen Rahmenbedingungen beider Märkte weitgehend angepasst worden. Diese Rechtsangleichung hat jedoch den freien Wettbewerb sowie die unterschiedlichen Verbrauchergewohnheiten wenig beeinflusst.

Im Sachversicherungsbereich bestehen weiterhin erhebliche Produktunterschiede und dies sowohl im Privat- als auch im Gewerbekundensegment. Französische Versicherer bieten bereits seit Jahren sogenannte "Multi-Risiko-Produkte" an. Diese Pakete bündeln sowohl im Privat- als auch im Gewerbesegment viele Garantien innerhalb einer Police - Garantien, die in Deutschland noch überwiegend einzeln angeboten werden. Dagegen besteht in der Autohaftpflicht weitestgehend Übereinstimmung zwischen französischen und deutschen Produkten.

Die Lebensversicherungsmärkte beider Länder sind, unabhängig von der europäischen Harmonisierung des Versicherungsvertrags- und aufsichtsrechts nach wie vor durch unterschiedliche steuerrechtliche Behandlungen und Interpretationen geprägt. In Frankreich werden Produkte, die in Deutschland als reine Sparverträge qualifiziert würden, als Lebensversicherung anerkannt und in beachtlichen Volumina sowohl von Versicherern als auch von Banken vertrieben. Unabhängig von diesen rechtlichen Rahmenbedingungen haben abweichende Verbrauchergewohnheiten in Frankreich äusserst attraktive, von der traditionellen Risiko- oder Altersvorsorgefunktion divergierende Kapitalanlage-produkte innerhalb der Lebensversicherungspalette entstehen lassen.

Im übrigen Personenversicherungsgeschäft (Kranken- und Unfallversicherungen) beeinflussen die sozialversicherungsrechtlichen Unterschiede die jeweiligen Angebote. Hier ist der deutsche Markt flexibler und verbraucherorientierter.

Die vorstehend aufgezeigten Beispiele machen deutlich, in welchem Masse ein in beiden Ländern tätiges Unternehmen aus seiner doppelten Präsenz Nutzen ziehen kann. Zielgerichteter und institutionalisierter Wissenstransfer ermöglicht verbraucherorientierte Produktangebote, die den Kunden in beiden Märkten gleichermassen zugute kommen.

Die hervorragende Markstellung wird der Allianz AG vor allem im künftigen Euro-Raum Wettbewerbsvorteile verschaffen. Insbesondere bei den Kapitalanlagen bieten sich uns bedeutende zusätzliche Ertragschancen. Mit der technischen Umstellung auf die Euro-Währung sind wir voll im Zeitplan.

Unseren Kunden können wir in einem ersten Schritt auf Wunsch Versicherungen in Euro ausstellen. Später werden Euro-Tarife folgen. Bis zu echten europaweit gültigen Produktangeboten wird es noch etwas dauern, aber wir arbeiten bereits heute daran.



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