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• Wege zu einer effektiveren Betrugsbekämpfung in der EU
"Je mehr Staaten der EU angehören, desto weniger kann man alle Detailentscheidungen in Brüssel treffen. Ich könnte mir vorstellen, dass sich das Europaparlament und der Ministerrat eines Tages nur noch auf die großen politischen Ziele einigen, die dann durch die Mitgliedstaaten umgesetzt werden müssen. Diese sollten das Geld dafür sodann im Rahmen eines Finanzausgleichs erhalten. Die Überprüfung der Vergabe dieses Ausgleichs sollte in technischer Hinsicht durch den Europäischen Rechnungshof und politisch durch das Europäische Parlament und den Ministerrat erfolgen."© 2000
Prof. Dr. Bernhard FRIEDMANN - Präsidiumsmitglied des
Europäischen Rechnungshofes, Luxemburg


Deutsch-Französisches Forum: Die EU-Kommis-sion möchte die Betrugs-bekämpfung in den europäischen Institutionen durch die Einrichtung von OLAF verbessern. Halten Sie diese neue Behörde für unabhängig genug?

Bernhard Friedmann: OLAF ist ja an die Kommission angelehnt, wenn nicht gar integriert. Die Bewerbungen für den Chefposten waren an die Kommission zu richten.

Forum: Die selbst überprüft werden soll?

B. Friedman : Genau. Wenn der zu Prüfende entscheidenden Einfluss darauf hat, wer die Prüfungsinstanz leiten soll, wirft das die Frage ihrer Unabhängigkeit auf. Auch der Haushalt von OLAF wird ja ein Anhang des Haushalts der Kommission sein. Damit ist eine gewisse Gestaltungsmöglichkeit von Seiten der Kommission gegeben, und wer gegen OLAF vor Gericht gehen will, muss seine Klage an die Kommission richten.

Forum: Wie könnte man OLAF denn unabhängiger machen?

B. Friedmann: Die Umstellung von UCLAF auf OLAF als erster Schritt war sicher lobenswert, aber ich möchte doch die Frage aufwerfen, ob man nicht noch weiter gehen sollte und ob OLAF nicht dem Rechnungshof angegliedert werden sollte.

Forum: Welchen Vorteil hätte das?

B. Friedmann: Staatsanwälte können nur mit einem begründeten Anfangsverdacht ermitteln. Der Rechnungshof kann jederzeit prüfen. Ausserdem braucht jeder Staatsanwalt Experten, die ihm an die Hand gehen. Fernziel bleibt nach wie vor eine europäische Staatsanwaltschaft.

Forum: Sollte ein Kommissar dann zurücktreten, wenn OLAF gegen ihn ermittelt?


B. Friedmann: Er sollte den Ermittlungen keinesfalls im Wege stehen und notfalls sein Mandat ruhen lassen. Die Immunität eines Kommissars sollte jedoch zügig aufgehoben werden, wenn das von der Staatsanwaltschaft verlangt und begründet wird.

Forum: Sobald die Osterweiterung der EU vollzogen ist, werden neue Fördertöpfe entstehen. Ist Subventionsbetrug in der EU dann überhaupt noch kontrollierbar?

B. Friedmann: Ja, aber dazu müssen wir die Strukturen in der EU völlig umstellen. Je mehr Staaten der EU angehören, desto weniger kann man alle Detailentscheidungen in Brüssel treffen. Ich könnte mir vorstellen, dass sich das Europaparlament und der Ministerrat eines Tages nur noch auf die grossen politischen Ziele einigen, die dann durch die Mitgliedstaaten umgesetzt werden müssen. Diese sollten das Geld dafür sodann im Rahmen eines Finanzausgleichs erhalten. Die Überprüfung der Vergabe dieses Ausgleichs sollte in technischer Hinsicht durch den Europäischen Rechnungshof und politisch durch das Europäische Parlament und den Ministerrat erfolgen.

Forum: Was hätte das für Folgen?

B. Friedmann : Die Kommission würde dann eine ganz neue Gestalt bekommen. Sie wäre dann zwar das „Herz" der europäischen Entwicklung, aber sie wäre von allen Nebensächlichkeiten entlastet. Ein Wirtschaftsraum, der grösser ist als die USA, kann nicht bis ins Detail durch relativ wenige Beamte von Brüssel aus umfassend regiert werden. Wir brauchen sich selbst tragende Mechanismen, die dieses Europa zusammenhalten. Es geht darum, Europa gestaltbar, handlungsfähig und einfacher regierbar zu machen.

Forum: Dadurch würde der Rechnungshof doch zur Superbehörde. Noch mehr Technokratie?

B. Friedmann: Auch der Rechnungshof sollte keine Überbehörde werden. Unsere Institution müsste dann noch stärker mit den ohnehin bestehenden nationalen Rechnungshöfen zusammenarbeiten. Das wäre vielleicht sogar noch effektiver. Ich bin jedenfalls kein Fetischist von grossen und zahlreichen Behörden.

Forum: Wie sollte Ihrer Meinung nach ein solcher Finanzausgleich finanziert werden?

B. Friedmann: Derzeit richtet sich die Finanzierung der Union am Bruttosozialprodukt aus. Wenn Indien beispielsweise Mitglied der EU wäre, hätte es die höchsten Beiträge zu bezahlen, weil eine Milliarde Menschen allemal mehr produzieren als 80 Millionen Deutsche. Ein besserer Masstab zur Berechnung der Mitgliedsbeiträge wäre das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Kaufkraftparitäten, weil dies auf den persönlichen Wohlstand des Einzelnen abstellt. Wenn dann Land A ein doppelt so hohes Bruttoinlands-produkt pro Kopf hätte wie das Land B, so müsste A auch doppelt soviel in die Union einzahlen und würde bei den Rückflüssen nur die Hälfte bekommen.

Forum: Würde dieses System die Betrugsbekämpfung effektiver machen?

B. Friedmann: Momentan ist die Lage so, dass derjenige Beamte, der in seinem Land einen Subventionsbetrug aufdeckt, eine Rückzahlungs-pflicht des betreffenden Staates gegenüber der EU auslöst. Dafür wird dieser Beamte mit Sicherheit nicht befördert. Im Rahmen eines Finanzausgleiches ist jeder Staat jedoch daran interessiert, dass das Geld richtig verwendet wird, da die Mittelbestimmung dann in die nationale Kompetenz fallen würde.

Forum: Herzlichen Dank für dieses Gespräch!



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