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• Globale Herausforderungen für nationale Wirtschaftspolitik
Für die nationale Wirtschaftspolitik ergeben sich zwei zentrale Herausforderungen. Einerseits müssen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass die heimische Wirtschaft gute Voraussetzungen vorfindet, um im internationalen Wettbewerb bestehen und sich entwickeln zu können. Zum zweiten müssen wir dafür Sorge tragen, dass die Globalisierung nicht ausgrenzt, sondern weltweit zu einer wirtschaftlich, sozial und ökologisch ausgewogenen Entwicklung beitragen kann. Die Partnerschaft in Europa hat hierin eine wichtige Funktion. Das wirtschaftpolitische Programm der Bundesregierung zielt darauf ab, dieser doppelten Anforderung gerecht zu werden.© 2000
Siegmar MOSDORF - Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister für Wirtschaft und Technologie


Designideen, Konstruktionszeich-nungen, Kapital: Per Mausklick fliessen Informationen und Dienstleistungen aller Art rund um den Globus. Wissenschaftler, Unternehmer, Verbraucher, Finanzakteure, öffentliche Einrichtungen, Bürgerbewegungen und Verbände stehen über das Internet weltweit und millionenfach in Verbindung. Allein in den letzten beiden Jahren hat sich die Anzahl der Internetauftritte auf etwa 60 Millionen verdreifacht. Diese Zahlen werfen ein Schlaglicht auf die rasante Veränderung unserer Welt an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Die fortgesetzte Integration der internationalen Wirtschaftsbeziehungen und die damit einhergehen-de wachsende internationale Differenzierung unternehmerischer Aktivität bietet für Industrienationen und Entwicklungsländer gleichermassen enorme Chancen für Wachstum, Beschäftigung und sozialen Fortschritt.

Für die nationale Wirtschaftspolitik ergeben sich vor diesem Hintergrund zwei zentrale Herausforderungen. Einerseits müssen die wirtschaftspolitischen Rahmen-bedingungen so gestaltet werden, dass die heimische Wirtschaft gute Voraussetzungen vorfindet, um im internationalen Wettbewerb bestehen und sich entwickeln zu können. Zum zweiten müssen wir dafür Sorge tragen, dass die Globalisierung nicht ausgrenzt, sondern weltweit zu einer wirtschaftlich, sozial und ökologisch ausgewogenen Entwicklung beitragen kann. Die Partnerschaft in Europa hat hierin eine wichtige Funktion.

Das wirtschaftpolitische Programm der Bundesregierung zielt darauf ab, dieser doppelten Anforderung gerecht zu werden. Das "Zukunftsprogramm zur Sicherung von Arbeit, Wachstum und Stabilität" dient dazu, verlorengegangene finanzpolitische Handlungsspielräume wieder zurückzugewinnen, das Sozialsystem zu sichern und bezahlbar zu erhalten sowie die Steuer- und Abgabenbelastung zu senken. Es setzt einen Markstein auf dem Weg zu einer umfassenden Modernisierung des Steuerrechts und schafft verbesserte Anreize für Wachstum und Beschäftigung. Es enthält ferner Eckpunkte für die Reform der Unternehmensbesteuerung, die zum 1. Januar 2001 in Kraft treten wird. Die Bundesregierung folgt dabei dem auch von anderen Ländern erfolgreich eingeschlagenen Weg und senkt die im internationalen Vergleich zu hohen nominalen Steuersätze für Unternehmen. Das erhöht die Wettbewerbschancen für in Deutschland ansässige Unternehmen, und die Attraktivität für ausländische Investoren steigt.

Die Bundesregierung strebt eine Rücknahme der staatlichen Ausgaben an, um die Steuerbelastungen insgesamt zu verringern und neuen Spielraum für private Eigeninitiative und individuelle Risikobereitschaft zu schaffen. Für den Strukturwandel schädliche Subventionen werden konsequent abgebaut. Und bis spätestens 2006 wollen wir einen ausgeglichenen Bundeshaushalt realisieren. Mit dem Einstieg in die ökologische Steuerreform stärkt die Bundesregierung ferner die marktwirtschaftlichen Anreize, um umwelt- und wirtschaftspolitische Belange innovationswirksam zu verzahnen. Dadurch erhöht sich nicht nur die Effizienz im Umweltschutz. Gleichzeitig erlaubt die Besteuerung des knappen Umweltfaktors, die Belastungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch Sozialbeiträge zurückzuführen. Die so erzielte Reduzierung der viel zu grossen Kluft zwischen Arbeitskosten und Netto-Einkommen erhöht die Beschäftigungsanreize auf dem Arbeitsmarkt.

Nennenswerter Spielraum für eine unabhängige diskretionäre Makropolitik der Mitgliedstaaten existiert heute in Europa praktisch nicht mehr. Neben der faktischen Disziplinierung aufgrund der fortschreitenden Integration der internationalen Kapitalmärkte bestimmen vor allem die mit dem Einstieg in die Wirtschafts- und Währungsunion gemeinsam festgelegten Spielregeln die Handlungsmöglichkeiten der nationalen makropolitischen Akteure. Die Geldpolitik ist seit dem 1. Januar 1999 vollständig vereinheitlicht und in die Zuständigkeit der EZB übergegangen. Ihr Ziel ist es, im gesamten Euro-11-Gebiet für Preisniveaustabilität zu sorgen. Die öffentliche Ausgabenpolitik, der durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt wirtschaftspolitisch vernünftige Grenzen gesetzt worden sind, unterstützt sie dabei.

Unter den Bedingungen der Globalisierung wächst die Bedeutung grosser und effizienter Märkte. Das fortschreitende Zusammenwachsen der Volkswirtschaften Europas zu einem einheitlichen europäischen Wirtschaftsraum ist daher nicht nur eine unverzichtbare Voraussetzung zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen, sondern auch ein bedeutender Motor für Wachstum und Entwicklung. Die Einführung des Euro stellt die Integration Europas auf eine neue quali-ta-tive Stufe und erhöht das Gewicht Europas auf den internationalen Finanz- und Kapitalmärkten zunehmen.

Die Verschärfung der internationalen Wettbewerbsbedin-gungen und der Wegfall wechselkursbasierter Puffer in Europa erhöht die Anforderungen an die Anpassungsfähigkeit der Märkte. Der Strukturpolitik muss daher eine besondere Aufmerksamkeit gelten. Wir brauchen funktionsfähige Güter-, Dienstleistungs- und Faktormärkte, damit innovative Unternehmer und Unternehmerinnen sich entfalten und Investitionen beschäftigungswirksam umgesetzt werden können. Wir müssen die Bereitschaft zu Risikoübernahme, Experimentierfreude und Selbstständigkeit fördern, um eine neue Kultur des Unternehmertums in Europa zu ent-fesseln. Und für unsere Finanz- und Kapitalmärkte brauchen wir verbesserte Rahmenbedingungen, um den Zu-gang zu Chancenkapital für innovative Investitionen insbesondere für kleine und mittlere, technologieintensive Unternehmen zu erleichtern. Die Bildungs- und Forschungspolitik ist der Schlüssel zu mehr Innovation und zu kreativem Unternehmertum. Als zentrales Strukturelement unseres Reformprojekts sind bis 2003 zusätzlich 8 Milliarden DM für Bildung, Forschung und Technologieförderung vorgesehen. Damit leistet die Bundesregierung einen wichtigen Beitrag, um die Grund-lagen für eine innovative, wettbewerbsfähige und nachhaltige Wirtschaft zu verbessern.

Die Herausbildung einer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft in Europa ist zugleich ein gewichtiger Motor für die Gestaltung einer modernen Weltwirtschafts-ordnung. Die weltwirtschaftliche Dynamik der letzten Jahre hat mehr Wachstum und Wohlstand zu mehr Menschen in der Welt gebracht als jemals zuvor auch wenn die Entwicklungserfolge regional nach wie vor sehr ungleich verteilt sind. Verschiedene Wohlfahrtsindikato-ren wie Lebenserwartung, Bildungsniveau und Kindersterblichkeit haben sich auf breiter Linie verbessert. In besonderem Masse konnten jene Entwicklungs-länder von den Vorteilen der Globalisierung profitieren, die ihre Volkswirtschaften dem Weltmarkt geöffnet haben.

Nach erfreulich rascher Bewältigung der Asienkrise liegen die prognostizierten Wachstumsraten der meisten Schwellenländer auf absehbare Zeit deutlich über jenen der Industriestaaten. Diese Entwicklung wurde und wird von einem rasanten Industrialisierungsprozess vorangetrieben, der allerdings vielerorts zu einer dramatischen Verschlech-terung der Umweltqualität geführt hat. Vor allem in den stark wachsenden Ballungsgebieten übersteigen die Schadstoffbelastungen von Luft, Wasser und Böden die von der Weltgesundheitsorganisation festgelegten Toleranz-grenzen häufig um ein Vielfaches. Immer deutlicher tritt zutage, dass die direkten und indirekten Kosten der Nachsorgung die Kosten eines integrierten Umweltschutzes übersteigen. Zunehmend mehr Staaten erkennen daher die Notwendigkeit einer vernünftigen vorsorgenden Umweltpolitik als Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung ihrer Wirtschaft und Gesellschaft. Der Markt ist national wie international ein wirkungsvoller Übertragungsmechanismus für neue Technologien, Management-methoden und Know How. Die wachsende Integration der Weltwirtschaft und der immer schnellere und leichtere Zugang zu Informationen ist daher nicht nur eine wichtige Quelle für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung in der Welt, sie ist zugleich die Voraussetzung für einen nachhaltigen Schutz der Umwelt.

Die Einbeziehung ökologischer und sozialer Kriterien bei der weiteren Handelsliberalisierung sowie die stärkere Integration der Entwicklungsländer in das Welthandelssystem bleibt ein wichtiges wirtschaftspolitisches Ziel für Deutschland und die EU. Das Bemühen, in Seattle eine neue, umfassende Welthandelsrunde auf den Weg zu bringen, ist vorerst noch nicht gelungen. Die WTO ist und bleibt aber der entscheidende Garant für offene Märkte und verlässliche internationale Wirtschaftsbezieh-ungen. Eine starke WTO liegt daher im besonderen Interesse der kleineren Länder und der Entwicklungslän-der. Deutschland und die Europäische Union werden sich auch weiterhin dafür einsetzen, das im Rahmen der WTO verankerte multilaterale Regelwerk fortzuentwickeln und den gewachsenen Anforderungen einer globalisierten Wirtschaft anzupassen. Hierin liegt nicht zuletzt auch eine wichtige Erfolgsbedingung für unsere Reformanstreng-ungen auf nationaler Ebene. Die nationalen Volkswirtschaften müssen sich jetzt auf die globale Weltwirtschaft einstellen. das gilt für Unternehmen aber auch für die Politik. Eine globale Weltwirtschaft braucht auch einen angemessenen Ordnungsrahmen. Dann können die Chancen der Globalisierung zum Nutzen der Menschen wirken.



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