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• Der Euro als Wachstums - und Stabilitätsfaktor
Auch wenn eine angemessenen Währungspolitik eine notwendige Vorbedingung für wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist, ist sie doch keine zureichende Bedingung, um für sich allein Wachstum, Arbeitsplätze und eine wirksame Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu gewährleisten. Die Zentralbanken können weder das Wachstum noch die Schaffung von Arbeitsplätzen "anordnen". Ein beträchtlicher Teil der europäischen Arbeitslosigkeit kann als strukturell bezeichnet werden. Genau darauf müssen sich die Anstrengungen der Staaten der Euro-Zone hauptsächlich richten. Zuallererst muss gegen die vor allem auch institutionellen Verkrustungen vorgegangen werden, welche die Arbeitskräftenachfrage in Expansionsphasen der Wirtschaftstätigkeit bremsen könnten.© 2000
Jean-Claude TRICHET - Präsident der französischen Nationalbank


Am 1. Januar 1999 hat sich in der Geschichte Europas ein einmaliges Ereignis vollzogen: Mit der Geburt des Euro ist das Vorhaben der Gründungsväter Europas Wirklichkeit geworden.

Der Euro als krönender Abschluss des Einheitsmarktes

Der Euro beruht auf der Grundsteinlegung der Römischen Verträge des Jahres 1957 und der Einheitlichen Europäischen Akte, die den weltweit grössten gemeinsamen Markt begründet haben.

Mit diesem weit ausgedehnten Markt gehen zahlreiche grössenabhängige Vorteile einher: er führt zu beträchtlichen Kostenvorteilen; er schafft die Bedingungen für eine bessere Nutzung der Spareinlagen für die gewinnträchtigsten Investitionen; er ermöglicht es den Unternehmen, sich auf den extrem flüssigen Kapitalmärkten zu besseren Konditionen Finanzquellen zu erschliessen.

Die Wirtschafts- und Währungsunion erscheint als die Krönung des einheitlichen Marktes: die Wechselkursschwankungen und die Wechselkursrisiken, d.h. das Haupthindernis für einen fliessenden Güter-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr, sind verschwunden; ein geeinter, weit umspannender und tiefgehender Finanzmarkt wurde geschaffen; der Gesamtheit der europäischen Bürger wurde ein einheitliches Währungsinstrument zur Verfügung gestellt, das in einem riesigen geeinten Markt genutzt werden kann.

Der Euro als unschätzbarer Stabilitäts- und Wirtschaftsfaktor


Genauer gesagt: der Euro ist ein Trumpf für die europäischen Unternehmen. Er erleichtert ihnen das Leben in allen ihren Tätigkeitsfeldern; vor allem werden die produktiven Investitionen vor dem Hintergrund geringerer Unwägbarkeiten gefördert, und die Produktionsorganisation wird wegen der wegfallenden zwischenstaatlichen Wechselkursschwankungen erleichtert.

Preisstabilität als Grundprinzip der Währungspolitik im Euro-Raum

Das Hauptziel Preisstabilität ist im Vertrag von Maastricht festgeschrieben. Es ist die logische Fortsetzung der französischen Währungspolitik und stösst auf einen breiten, überparteilichen Konsens und eine feste Unterstützung der französischen Bürger, die an der Stabilität ihrer Währung festhalten.

Um vor diesem Hintergrund den grösstmöglichen Nutzen aus den Vorteilen der EWU zu ziehen, besteht der grundlegende Beitrag der Währungspolitik darin, die Preise im Euro-Raum stabil, d.h. die Inflation unter 2% zu halten.

Dadurch, dass sich die Währungspolitik an der Preisstabilität ausrichtet, ist gewährleistet, dass sie den bestmöglichen Beitrag leistet, um die allgemeinen Wirtschaftsziele der Gemeinschaft zu erreichen, insbesondere das Ziel eines anhaltenden und nicht-inflationären Wachstums.

Dieser der Preisstabilität eingeräumte Vorrang findet seine Begründung in einer ganzen Reihe von Wirtschaftsstudien, vor allem aber auch in den Erfahrungen über Jahrzehnte hinweg, die belegen, dass eine Währungspolitik, welche die Preise stabil hält, den bestmöglichen Beitrag zur Verbesserungen der Wirtschaftsaussichten und zum Anstieg des Lebensstandards leistet.

Und dennoch: die Grenzen der Währungspolitik

Aber auch wenn eine angemessenen Währungspolitik eine notwendige Vorbedingung für wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist, ist sie doch keine zureichende Bedingung, um für sich allein Wachstum, Arbeitsplätze und eine wirksame Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu gewährleisten. Die Zentralbanken können weder das Wachstum noch die Schaffung von Arbeitsplätzen anordnen.

Auch in Phasen einer rapiden Zunahme der Wirtschaftstätigkeit sind die Mitgliedsstaaten der Währungsunion auch weiterhin mit einer sehr hohen Arbeitslosenrate konfrontiert. Während beispielsweise in den Jahren 1986 bis 1990 das Wachstum des BSP im Euro-Raum durchschnittlich 3,3% erreicht hatte, war die Arbeitslosenrate lediglich um 2 Prozentpunkte zurückgegangen, so dass sie 1990 bei immer noch 8,6% aller Erwerbstätigen lag. Trotz einer Phase vorübergehender Verlangsamung in den Wintermonaten 1998/99 im Zusammenhang mit der Krise der Schwellenländer befinden sich die Staaten des Euro-Raumes seit Mitte des Jahres 1996 wiederum in einer wirtschaftlichen Aufschwungphase. Gleichwohl fällt deren Arbeitslosenrate Ende 1999 im Durchschnitt weiterhin kaum unter 10%. Ein beträchtlicher Teil der europäischen Arbeitslosigkeit kann somit also als strukturell bezeichnet werden. Genau darauf müssen sich die Hauptanstrengungen dieser Staaten richten.

Zuallererst muss gegen die vor allem institutionellen Verkrustungen vorgegangen werden, welche die Arbeitskräftenachfrage in Expansionsphasen der Wirtschaftstätigkeit bremsen könnten. Es muss auf einen möglichst fliessenden Arbeitsmarkt abgezielt werden. In dieser Hinsicht bergen die seit der zweiten Hälfte der 80er Jahre in Frankreich angestrengten und von anderen Ländern Mitte der 90er Jahre übernommenen Reformen der sogenannten "untypischen" Arbeitsvertragsformen (Teilzeitarbeit, befristete Verträge, Zeitarbeit) die Möglichkeit, die strukturelle Komponente der Arbeitslosigkeit zu verringern. In diesem Sinne muss auch das bestmögliche Gleichgewicht zwischen den Produktionskosten und der Arbeit verfolgt werden. Der Abbau der indexgebundenen Anpassungsmechanismen, die den Zusammenhang zwischen Lohn und Produktivität auflösen, wurde in der Gesamtheit der Länder des Euro-Raumes im Laufe der 80er Jahre in Angriff genommen und stellt gleichfalls ein Mittel dar, eine bessere Reaktivität des Arbeitsmarktes auf die Wirtschaftstätigkeit sicherzustellen und den Prozess zu bremsen, in dem Arbeit durch Kapital ersetzt wird. Die Abstufung der Lohnnebenkosten abhängig von dem Ausbildungsniveau - d.h. von der Produktivität - der Angestellten bildet gleichfalls eine Möglichkeit. Dabei scheint die französische Erfahrung mit der seit 1993 durchgeführten "degressiven Rückerstattung", die zu einer Verringerung der Sozialbeiträge im Niedriglohnsektor führt, zur Verbesserung der Arbeitsmarktlage in Frankreich in den Jahren 1998 und 1999 beigetragen zu haben.

Allgemein gesprochen: die Gesamtheit der Wachstumskräfte muss freigesetzt werden, um eine Verlangsamung des unternehmerischen Expansionsprozesses zu vermeiden. Der Staat muss der technologischen Innovation, die eine Verbesserung des Produktivpotentials ermöglicht, seine ganze Aufmerksamkeit widmen.

Dadurch, dass der Euro den Unternehmen sichere Rahmenbedingungen gewährleistet, so dass sie innerhalb der Währungsunion nicht länger den verhängnisvollen Auswirkungen der Währungsanpassungen unterworfen sind, trägt er zur Herausbildung eines Umfeldes bei, das die Investitions- und Arbeitsplatzentwicklung begünstigt. Die strukturellen Hindernisse, die diese Entwicklung noch behindern können, sind allerdings noch aus dem Weg zu räumen.

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