Stellt man die
Frage, welche Gestalt Europa in den kommenden Jahrzehnten annehmen
wird, so wird damit auch die Frage nach der Rolle aufgeworfen, die
es im Globalisierungsprozess spielen will.
Die oftmals in Schreckensfarben gezeichnete Globalisierung betrifft
als sich fortsetzender Prozess sowohl die Gegenwart als auch die
Zukunft. Darin schlägt sich der Übergang des Nationalen, d.h. des
Lokalen, zum Internationalen hin nieder. Es handelt sich zwar um
einen ursprünglich wirtschaftlichen Paradigmenwechsel. Dessen Auswirkungen
machen sich allerdings nach und nach auch in vielen anderen Bereichen
bemerkbar.
Muss Europa vor dieser Entwicklung Angst haben? Muss es dabei notwendigerweise
seine Identität verlieren?
Anders als es auf den ersten Blick den Anschein hat, kommt die Gefahr
nicht von aussen, sondern von innen. Sollten wir uns nämlich auf
uns selbst zurückziehen, würden wir offensichtlich ein unkalkulierbares
Risiko eingehen. Die Globalisierung birgt weniger Gefahren als ein
falsches europäisches Denken, das der Vereinheitlichung und der
Standardisierung Vorschub leistet und keinerlei Vorstellung davon
hat, dass die Stärke und der wirkliche Reichtum unserer Union in
der Vielfalt der Kulturen zu suchen ist. Um unseren Kontinent an
der Globalisierung teilhaben zu lassen, müssen wir in Europa eine
Grundlage finden, um ihr unseren Stempel aufdrücken zu können. Nur
mit einer solch dynamischen Haltung können wir uns einem Modell
widersetzen, das nicht das unsrige oder - schlimmer noch - das mit
unserer Kultur, unseren Traditionen und unserer Zivilisation unvereinbar
ist.
Vielleicht ist es aber gerade deswegen so schwierig, sich mit dieser
Situation auseinanderzusetzen, weil sie uns unsere eigenen Ungewissheiten,
unsere eigenen Ängste zwischen Nationalstaatlichkeit und Supranationalität
vor Augen führt.
Um die Globalisierung nicht einfach hinzunehmen, muss Europa einen
Beitrag zu den noch ungewissen Regeln dieser neu entstehenden Ordnung
leisten. Und das natürlich in wirtschaftlicher wie sozialer Hinsicht,
aber auch in einem allgemeineren Sinne bezüglich der Verhaltensnormen,
die der internationalen Gemeinschaft zugrunde liegen und für die
Staaten verbindlich werden müssen. Angesichts seiner Geschichte
und seiner Erfahrungen kann und muss Europa dieses von Jürgen Habermas
so genannte "Weltbürgerrecht" als Mittel der Friedensproklamation
ausserhalb seiner Grenzen fördern. In Zukunft wissen wir: der Friede
der andern ist auch unser Friede.
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