Zeitschrift
Europa
Zeitschrift Der Herausgeber Synthesen Verträge/ Gesetze Institutionen / Wahlen Literatur Unsere Partner

Startseite
Europa
Gasp - Verteidigung
Recht
Wirtschaft
Kultur
Eintrag
Streichung


• Brauchen die Regionen Europas mehr Macht ?
Notwendig ist eine strikte Anwendung des Subsidiaritätsprinzips auf der Grundlage klarer Kompetenzzuweisungen. Europa soll sich mit dem befassen, was in den Mitgliedstaaten, Regionen und Städten nicht hinreichend geregelt werden kann. Wo hingegen ein Tätigwerden auf der Ebene der Mitgliedstaaten, Regionen oder Kommunen ausreicht, soll die Verantwortung auch dort bleiben. Das dient der Vielfalt, der Bürgernähe und letztlich der Effizienz. Es stärkt Eigenverantwortung und beugt zentralistisch-bürokratischen Strukturen vor. © 1999
Edmund STOIBER - Bayerischer Ministerpräsident Vorsitzender der CSU


Mehr als je zuvor stellt sich die Frage der richtigen Ausbalancierung der Aufgaben zwischen der EU, den Mitgliedstaaten und den Regionen. Schon heute fallen annähernd die Hälfte aller bedeutenden politischen Entscheidungen in Brüssel. In manchen Bereichen, vor allem bei der Wirtschafts- und der Agrarpolitik, liegt dieser Prozentsatz sogar noch erheblich höher. Die Einführung des Euro, die fortschreitende Globalisierung der Wirtschaft und die bevorstehende Reform der inneren Politiken der EU im Zuge der Osterweiterung werden Europa weiter zusammenwachsen lassen. Der Binnenmarkt muss endlich vollendet, unfaire Steueroasen müssen ausgetrocknet werden. Doch wie weit soll die Vereinheitlichung gehen? Wollen wir ein zentralistisches Europa, das mit grosser Machtfülle ausgestattet ist und sich möglichst aller Fragen annimmt, die die Bürger interessieren - von der Sicherung des Arbeitsplatzes bis hin zur Verhütung von Unfällen im Haus? Oder wollen wir ein Europa, das sich auf die übergreifenden Aufgaben beschränkt, die auf nationaler und regionaler Ebene nicht mehr ausreichend bewältigt werden können?

Derzeit besteht eine gewisse Schieflage zwischen dem Handeln der EU und den eigentlichen Erfordernissen. Die EU macht zu wenig Notwendiges und zu viel Überflüssiges. In Rechtsetzung und über 300 Mitteilungen, Weiss- und Grünbüchern der letzten drei Jahre finden sich dafür zahlreiche Beispiele wie etwa die Mitteilung über die Leistungen der Daseinsvorsorge, die Förderung des Fremdenverkehrs oder das Aktionsprogramm zur Verhütung von Selbstmorden, Schulweg- und Haushaltsunfällen. Andererseits fehlt es an einer gemeinsamen Haltung zu aussen- und sicherheitspolitischen Fragen ebenso wie an der gemeinschaftlichen Bewältigung der Asyl- und Flüchtlingsströme oder einem geschlossenen Auftreten in Weltwirtschaftsfragen.

Notwendig ist eine strikte Anwendung des Subsidiaritätsprinzips auf der Grundlage klarer Kompetenzzuweisungen. Europa soll sich mit dem befassen, was in den Mitgliedstaaten, Regionen und Städten nicht hinreichend geregelt werden kann. Wo hingegen ein Tätigwerden auf der Ebene der Mitgliedstaaten, Regionen oder Kommunen ausreicht, soll die Verantwortung auch dort bleiben. Das dient der Vielfalt, der Bürgernähe und letztlich der Effizienz. Es stärkt Eigenverantwortung und beugt undurchsichtigen zentralistisch-bürokratischen Strukturen vor, die -wie nicht zuletzt die jüngsten Fälle von Misswirtschaft zeigen- Europa mehr schaden als nützen.

Starke Regionen sind notwendig, wenn die Akzeptanz für den europäischen Einigungsprozess nicht gefährdet werden soll. Die Mitgliedstaaten und Regionen bilden das notwendige Gegengewicht zu Europäisierung und Globalisierung. Die Unübersichtlichkeit, die Fülle und die scheinbare Beliebigkeit des Globalen erzeugen bei vielen das Gefühl der Verunsicherung, des Ausgeliefertseins. Europäisierung und Globalisierung sind für viele Menschen nur verkraftbar, wenn ihnen aus der eigenverantwortlich gestalteten Heimat in der Region im nationalen Rahmen Identität erwächst. Zu der Landschaft, zu der Natur, zur Umwelt, zu den Mitmenschen und nicht zuletzt zu den Verantwortlichen der Region besteht eine direkte und unverzichtbare Bindung. Die Regionen können der Gesellschaft Stabilität geben. In ihnen sind Wertvorstellungen lebendig und wird Solidarität praktiziert. Hier entsteht die Kreativität und Vielfalt, die Europa charakterisiert und über Jahrhunderte hinweg stark gemacht hat. Die Regionen werden so zum Trumpf Europas im Wettbewerb der Kulturen.

Der frühere Kommissionspräsident Jacques Delors erklärte im Jahre 1991 vor dem Bayerischen Landtag: "Uns muss bewusst werden, dass die europäische Vision nur Wirklichkeit werden kann, wenn sie die Traditionen und Lebensformen unserer Völker widerspiegelt. (...) Die Regionen dürfen nicht an der Entfaltung ihrer Möglichkeiten gehindert werden, denn gerade auf dieser Ebene, wo Demokratie unmittelbar gelebt wird, kommt der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips ihre volle Bedeutung zu. (...) Die Beteiligung der Regionen am Aufbau Europas ist entscheidend für unseren Erfolg."

Wir brauchen ein modernes Modell für Europa. Ein Modell, das Vielfalt ermöglicht und fördert, das auf dem Reichtum der verschiedenen Lebensweisen aufbaut, das aus unserer lebendigen Kultur und unserer Jahrtausende alten Geschichte heraus erwächst. In diesem Modell spielen die Regionen eine wesentliche Rolle.



© Alle Rechte vorbehalten.