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• Demokratische Legitimation in Europa, in den Nationalstaaten,
in den Regionen
Eines der Probleme des europäischen Einigungsprozesses besteht darin, wie die Europäer ihr Zusammenleben organisieren. Die Antwort darauf ist von grundlegender Bedeutung, da dadurch auch die Beziehungen bedingt werden, die wir zum Rest der Welt unterhalten wollen. Trotzdem gibt es für Europa nur einen Weg, sich den Herausforderungen zu stellen, indem es nämlich nach außen hin eine größere Einheit an den Tag legt und innerhalb der europäischen Grenzen Freiheit und Vielfalt stärkt und sich darauf beschränkt, die allgemeine Richtung vorzugeben. Darüber hinaus wird die Organisationsweise der europäischen Gesellschaft stark von dem Grad demokratischer Legitimität auf europäischer, staatlicher und regionaler Ebene beeinflusst.© 2000
Roman HERZOG - Ehemaliger Bundespräsident der
Bundesrepublik Deutschland


Unsere Zukunft liegt in Europa. Dass wir Deutschen zur Zeit des Parlaments- und Regierungsumzugs fasziniert und ein bisschen selbstverliebt nach Berlin schauten, darf nicht darüber hinwegtäuschen: Brüssel ist à la longue wichtiger als Berlin! Das ohnehin rasante Tempo der Globalisierung nimmt zu, und genau so muss das Tempo der europäischen Einigung zunehmen, sonst kann Europa nur auf der Strecke bleiben.

Warum brauchen wir eine starke Zentralgewalt in Brüssel? Eigentlich ist die Antwort ganz einfach: Auf der einen Seite werden die weltweiten Herausforderungen, vor denen wir alle stehen, immer grösser, und wir werden sie nur bestehen, wenn wir uns ihnen gemeinsam stellen. In zwanzig Jahren wird es sechs bis zehn weltanschaulich fundierte Blöcke geben, die sowohl wirtschaftlich als auch geistig für uns Europäer eine Herausforderung darstellen werden. Diese werden die Frage nach unseren Fundamenten stellen und deren Tragfähigkeit auf die Probe stellen. Die Frage ist dann: Wie stehen wir Europäer zu uns? Andererseits haben die europäischen Nationalstaaten immer grössere Probleme, ihre sozialen Systeme zu erhalten. Die Probleme auf den Arbeitsmärkten nehmen zu, die sozialen Unterschiede wachsen. Nationale Politiker könnten da leicht geneigt sein, die Lösung ihrer inneren Probleme wieder einmal durch Abkoppelung von Europa zu erreichen. Ansätze - wenn auch ganz vorsichtig - zeigen sich schon: Die Neigung in Europa wächst, die Solidarität mit strukturschwachen Regionen aufzugeben oder doch zumindest zu reduzieren.

Ein Europa, das sich nicht anders verhält als die Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts, macht sich jedoch selbst überflüssig. Abschottung ist ein Verhalten der vergangenen Jahrhunderte. Das gilt auch für die Abschottung durch Handelsschranken. Der Nationalstaat - man muss es zugeben - ist an seinen "Grenzen" angelangt. Die globalen Prozesse setzen sich über Grenzen und, wohlgemerkt, auch über die Regelwerke der Europäischen Union ungerührt hinweg. Das sollte die Union übrigens auch nicht dazu verleiten, immer hektischer ein immer noch dichteres Regelwerk zu schaffen; sie verliert diesen Wettlauf sowieso. Das Rezept kann nur lauten: Mehr Einigkeit nach aussen, mehr Freiheit und Vielgestaltigkeit nach innen, Beschränkung auf wichtige Weichenstellungen. Die Regelung von Einzelheiten sollte die Union den Märkten, den Mitgliedstaaten und den Regionen überlassen.

Für eine Flucht aus der eigenen Verantwortung darf Europa allerdings nicht zur Verfügung stehen. Das ist, wenn mich nicht alles täuscht, insbesondere eine deutsche Unsitte. Aus Angst vor Problemen der eigenen Staatlichkeit und Identität - zum Beispiel unserer geographischen Lage, der Bedeutung unserer Volkswirtschaft, unserer internationalen Verantwortung - neigen manche in Deutschland dazu, sich möglichst klein zu machen und Verantwortungen auf die EU (oder die NATO) abzuwälzen. Genauso gefährlich ist es aber, die Gesamtheit Europas aus den Augen zu verlieren, weil man sich nur noch mit sich selbst beschäftigt und die Aussengrenze Europas zum Tellerrand wird, über den man nicht mehr hinausschauen kann.

Was die Europäische Union braucht liegt auf der Hand: die Öffnung der Märkte, eine überschaubare Verteilung der Kompetenzen, im Zusammenhang damit alle Rechte, die notwendig sind, um gemeinsame Ziele nach aussen zu formulieren und dann auch kraftvoll zu vertreten, eine funktionierende Gewaltenbalance politisierter und personalisierter Organe. Aber all das ist nur möglich, wenn die Bürger Europas damit einverstanden sind. Wie steht es also um die Legitimation solcher Entwicklungen?

Die Vorfälle um die Europäische Kommission haben gezeigt, dass "checks and balances" zwischen Parlament und Exekutive in Europa ebenso notwendig sind wie in den Nationalstaaten. Dem würde sicher sogar der berühmte Montesquieu zustimmen, bekanntlich der Schöpfer des Gedankens der Gewaltenteilung. Für ihn galt die Forderung nach Gewaltenteilung genau genommen nämlich nicht nur in Nationalstaaten, sondern auf allen Ebenen politischer Verantwortung. Wir sprechen heute aber über mehr. Deswegen wollen wir kurz durchdeklinieren, worum es bei der demokratischen Legitimation auf den drei Ebenen Europa, Nationalstaat und innerstaatliche Region gehen kann.

Zunächst zur europäischen Ebene: Da erhebt sich sofort die Frage: Lassen sich die Institutionen nach dem Muster und mit den Begriffen der nationalstaatlichen Demokratie überhaupt ohne weiteres auf Europa übertragen? Sicherlich lässt sich nicht alles in Europa so gestalten, wie wir es von den Nationalstaaten her kennen. Es wäre auch gar nicht klug, nur in dieser Begrifflichkeit zu sprechen; allzu schnell würde in diesem Fall der Vorwurf des europäischen Superstaates erhoben. Einiges ist aber doch übertragbar.

Die Wahlen zum Europäischen Parlament haben bisher kaum die Aufmerksamkeit erregt, die mit der Spannung der Wahlen zu nationalen Parlamenten vergleichbar wäre, obwohl sie mindestens genauso wichtig sind. Das lag unter anderem daran, dass die Bürger die Kompetenzen und Aktivitäten des Strassburger Parlaments überhaupt nicht mit Dingen in Verbindung brachten, die sie selbst betreffen. Das ist aber ein Anachronismus. Nach dem Amsterdamer Vertrag hat das Parlament in achtzig Prozent der Fälle, in denen der Ministerrat mit Mehrheit entscheidet, ein völlig gleichberechtigtes Mitentscheidungsrecht. Es hat darüber hinaus das Recht, den Kommissionspräsidenten zu wählen und die Gesamtkommission zu bestätigen. Mit der Europawahl entscheiden die Wahlbürger de facto also über den Kommissionspräsidenten, der damit gewissermassen ein europäischer Premierminister geworden ist. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als die Personalisierung und Politisierung dieses Parlaments! Fortan verbinden sich für den Bürger erkennbare Gesichter mit der europäischen Politik. Die Wähler entscheiden sich bei den Wahlen für oder gegen eine bestimmte Politik und für oder gegen eine Person, die diese Politik verwirklichen soll. Sie sollten sich deshalb sehr genau anschauen, wen ihnen die Parteien präsentieren, und sie sollten die Wahlen zum Europa-Parlament genauso hart ausfechten wie die Wahlen zu ihren nationalen Parlamenten. Wer nicht wählen geht, der braucht sich über geringe Wahlbeteiligung der anderen nicht zu wundern und er braucht sich schon gar nicht mit allen Anzeichen der Entrüstung darüber zu beklagen.

Auch der Ruf nach einer europäischen Verfassung wird immer lauter. Natürlich kann man argumentieren, dass Europa ja durchaus bereits verfasst ist, denn das Vertragswerk der Gemeinschaft ist natürlich - im materiellen Sinne - ihre Verfassung. Ich gebe zu, dass auch ich skeptisch bin, ob wir uns tatsächlich jetzt auch noch eine europäische Verfassungsdebatte zumuten sollten. Aber die Frage der förmlichen Verfassung ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist ihre Transparenz und damit die Vermittelbarkeit des schon Bestehenden.

Ich stimme den Kritikern zu, die mit zunehmenden Nachdruck nach Transparenz, Klarheit und Verständlichkeit der Gemeinschaftsverträge rufen. Das Sprachdickicht, die Unübersichtlichkeit und der Umfang dieser Verträge verhindert es geradezu, dass Europäer ihre eigenen Grundlagen darin wiedererkennen. Und das betrifft nicht nur die innere Ordnung der Union.

Die rasanten Veränderungen und die verwirrende politische Unübersichtlichkeit, die die Welt beim Übergang ins nächste Jahrhundert erlebt, erzeugen das Bedürfnis der Menschen nach Orientierung und nach Selbstvergewisserung. Wenn wir uns nicht in der Vielfalt der Kulturen verlieren und wenn wir nicht zusehen wollen, wie sich die Menschen auf der Suche nach Identität wieder dem alten Nationalismus zuwenden, wenn wir nicht auf das Europa der Bananen und genormten Traktorensitze beschränkt bleiben wollen, dann müssen wir uns auch wieder auf die gemeinsamen europäischen Ziele und Grundüberzeugungen besinnen.

Was der Bürger in der Nation gesucht hat, nämlich Identität und Orientierung, muss Europa noch schaffen, oder, besser gesagt, das muss Europa, das es aus seinem reichen Erbe seiner Vergangenheit ja ebenfalls zu bieten hat, viel sichtbarer machen als bisher. Die Europäer müssen in Europa nicht nur mitwirken können. Sie müssen Europa auch als ihre Sache begreifen lernen. Die Diskussion darüber, was Europa sein will und wie es sich in der Welt sieht, ist im Zeitalter der Globalisierung eine politische Überlebensfrage. Hier kann tatsächlich nur ein kurzer, eindringlicher Text helfen - auch ohne materielle Novitäten, an der Spitze ein Katalog der gemeinsamen europäischen Grundwerte, und ich spreche hier ganz bewusst von Grundwerten und nicht Grundrechten; denn wir haben ja bereits die Menschenrechtskonvention. Ich nenne nur einige Beispiele, die das Fundament unserer europäischen Kultur sind: Menschenwürde, Wissenschaft und Technik, Wohlstand und soziale Verantwortung, Freiheit des Geistes. Dieser Katalog könnte die emotionale Bindung an die Wertegemeinschaft Europa als Freiheitsgemeinschaft stärken, die sich überall auf der Welt für die Stärkung von Freiheit, Menschenwürde und sozialer Gerechtigkeit einsetzt.

Aber wir brauchen dabei nicht stehenzubleiben. Wir könnten uns weiterhin zu einem eindeutigen und kurzen Katalog der europäischen Kompetenzen durchringen. Ein solcher Katalog könnte helfen, besser zu verstehen, was Europa sein kann und was es nicht zu sein braucht. Klaus Hänsch hat darauf aufmerksam gemacht, dass sehr viel von Europa erwartet wird, was es noch gar nicht leisten kann, und dass ihm sehr viel vorgeworfen wird, wofür es gar nicht verantwortlich ist. Genau so ist es. Brüssel kann nicht die Anlage von Fahrradwegen in deutschen Kommunen beschleunigen. Subsidiarität, wie sie im Maastricht-Vertrag steht, heisst ja, dass die Dinge dort geregelt werden sollen, wo sie auftreten und wo die Betroffenheit der Bürger am grössten ist. Das Problem mit dem Begriff Subsidiarität ist allerdings, das gebe ich zu, dass kaum ein Bürger ihn versteht.

Die Liste der Bereiche, die effektiv nur die EU regeln kann, ist ohnehin sehr viel kürzer als die der Kompetenzen, die den Nationalstaaten verbleiben werden: Die wenigen, die es schon gibt - und ich unterscheide hier nicht zwischen ausschliesslichen, konkurrierenden und ergänzenden-, nämlich Aussenhandel, Währung, Wettbewerb, Umwelt und natürlich Landwirtschaft, müssen in zwei Richtungen ergänzt werden, denn das ist eine entscheidende Frage: durch Bestimmungen darüber, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Brüssel von diesen Kompetenzen konkret Gebrauch machen darf, und durch den Bereich, der bisher "gemeinsam" genannt wurde, es aber nicht wirklich war, nämlich die Aussenpolitik. Hier ist noch viel zu tun, aber wir sind dieser Aussenpolitik in den letzten Monaten zumindest sehr viel näher gekommen. Es geht bei der Begrenzung der Kompetenzen auch darum, zurückzukehren zu Richtlinien, wie sie im EG-Vertrag definiert sind.

Damit bin ich ganz zwangsläufig bei der zweiten Ebene, der des Nationalstaates. Würde die nationalstaatliche Demokratie wirklich ihres Wesens beraubt, wenn wir Europa demokratisch legitimierten? Dieser Trugschluss ist so weit verbreitet, dass ich dazu wenigstens einige Worte sagen möchte. Ich selbst habe mich schon an anderer Stelle zur Strategie des europäischen Föderalismus als einer Methode der Dezentralisierung bekannt. Natürlich behält auch in einer demokratisch legitimierten Union jede Nation - um nur dieses Beispiel zu nennen - ihre Verfassung. Natürlich ist Europa nicht nur eine Gemeinschaft des Kulturpluralismus, sondern auch des Verfassungspluralismus. Ich halte es durchaus mit Jefferson und behaupte, dass starke, selbstbewusste Teile auch ein starkes Ganzes machen. Selbst Einheitsstaaten wie Frankreich können einer Föderation der europäischen Nationalstaaten angehören und können ihr unbedenklich angehören. Um so mehr gilt das für Bundesstaaten wie Deutschland. Und von dem Wettbewerb der Modelle kann der Bürger doch nur profitieren. In Deutschland hat schliesslich jedes Land neben dem Grundgesetz eine eigene Landesverfassung. Und wir sind dabei, die Föderation so breit zu gestalten, dass sie zu einem Wettbewerb der Ideen wird. Warum soll das in einer Europäischen Union nicht möglich sein?

Damit bin ich schon bei der dritten Ebene der demokratischen Legitimation, den subnationalen Regionen und Gemeinden. Sie zeigt, dass Demokratie nicht nur oberhalb, sondern auch unterhalb der Ebene des Nationalstaates möglich ist. Ich behaupte sogar, sie ist nicht nur möglich, sondern geradezu nötig. Von dem Bedürfnis der Menschen nach Selbstvergewisserung habe ich schon gesprochen. Europäische Einigung macht deshalb eine Revitalisierung der kleinen Einheiten dringend notwendig. Die Regionen sind viel näher am Bürger als die fernen nationalen Zentren oder gar die supranationalen Institutionen. Verantwortung nimmt auf die Dauer nur auf sich, wer sich auch beteiligen kann. Der Bürger lebt nicht im Bund, er lebt nicht im Land, er lebt in der Gemeinde. Der Bürger braucht also gewissermassen Anteile, so etwas wie, "Aktien" an Europa, und die lassen sich, um im Bild zu bleiben, unterhalb der Ebene des Nationalstaats viel leichter erwerben. Die Bürgergesellschaft in Europa bildet sich ja auch unterhalb des Nationalstaats heraus. Auf subnationaler und regionaler Ebene ist in vielen Ländern, übrigens nicht nur bei Angehörigen der Europäischen Gemeinschaft, die Demokratie besser eingespielt als auf nationaler Ebene. Denken Sie an Deutschland, die Schweiz, die USA. Und sogar in Frankreich bemüht man sieht seit langem um die Region als Ebene zwischen Departement und Pariser Zentrale.

Bei meinen Besuchen in Russland habe ich das vielfältige Interesse von Städten und Regionen an der Zusammenarbeit mit ihren deutschen Partnern erfahren können, und Ende letzten Jahres konnte ich mit grossem Interesse sehen, wie im bisherigen Einheitsstaat Grossbritannien durch die Verfassungen, die sich mittlerweile Schottland und Wales gegeben haben, eine ganz neue Lebenskraft der Regionen und ein neues Interesse der Bürger an ihren Regionen haben entstehen lassen. Es ist kein Zufall, dass gerade der britische Philosoph Anthony Giddens eine solche Renaissance der Regionen als Kennzeichen für die "zweite Moderne" befindet.

Die Euro-Skeptiker werden nun den schon erwähnten Einwand erheben, das Haupthindernis für ein demokratisch verfasstes und legitimiertes Europa sei das Fehlen einer gemeinsamen Öffentlichkeit. In der Tat. Wir brauchen Mittler, um uns grenzüberschreitend miteinander zu verständigen: Mediensysteme, Parteiensysteme, gemeinsame Bedeutungssysteme. Der politisch interessierte Lehrer, so heisst es, diskutiert darüber, welches der richtige Weg für Europa ist, nicht unmittelbar mit seiner portugiesischen Kollegin, sondern allenfalls vermittelt über die Medien. Ich bin allerdings auch hier optimistisch; denn ich sehe eine wachsende Zahl von transnationalen Akteuren in Europa, die schon damit begonnen haben, in Wirtschaft und Gesellschaft, in Wissenschaft und Kultur, in Technik und Ökologie ihre Anliegen und Botschaften europaweit zu vertreten. Das ist im Zeitalter der Massengesellschaft und der Massenkultur eine Form von Öffentlichkeit, die raisonabel ist. Es gibt sie also bereits, die europäischen Zivilgesellschaften, auch wenn wir keine europäische Verfassung haben, zumindest in nuce.

Auf allen drei Ebenen - Europa, den Nationalstaaten, den Regionen - kommt es deshalb in gleicher Weise nicht nur auf die Wahlverfahren an, das heisst auf das, was in der Wissenschaft als "input-Legitimation" bezeichnet wird, sondern auch auf den "output", nämlich auf die Qualität der Debatte und die Qualität der Entscheidungen. Das ist mir sehr wichtig. So wichtig es für den einzelnen Menschen ist, dass er mitreden kann, so wichtig ist es auch, dass - wenn die Entscheidung gefallen ist - er daran glauben kann, an etwas Vernünftigem mitgewirkt zu haben.

Im übrigen möchte ich noch einmal sehr deutlich hervorheben, was mir in dieser Debatte besonders am Herzen liegt.

Erstens: Wir dürfen Mittel- und Osteuropa, das fünfzig Jahre lang darauf warten musste, jetzt die Teilhabe an den Segnungen von Freiheit, Demokratie und Wohlstand nicht verweigern. Das liegt schon im Interesse unserer eigenen Sicherheit. Denn wenn wir den Osten nicht stabilisieren, destabilisiert er uns, und ohne eine solche Teilhabe des Ostens verspielen wir die Zukunft Europas.

Zweitens: Ohne innere Reformen, ohne eine wirkliche Umverteilung der Chancen in Europa kann uns diese Integration des Ostens nicht gelingen. Wenn sinnvolle, überfällige Reformen - wie zur Zeit etwa in der Agrarpolitik - an Partikularinteressen scheitern, dann ist das eine Bedrohung für die Zukunft Europas. Das können wir uns nicht leisten.

Drittens: Die Klärung der Frage: Welches Europa wollen wir eigentlich? Welchen Herausforderungen muss es gewachsen sein? Welche Rolle soll es auf der Welt spielen?

Wenn wir diese Fragen beantwortet haben, können wir beginnen, die Institutionen und Verfahren darauf einzustellen.

Ich habe den deutlichen Eindruck, dass die Europäische Union in den letzten Wochen wichtige Schritte unternommen hat, die in diese Richtung führen, und ich wünsche mir, dass sie entschlossen auf diesem Weg fortschreitet.



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