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• Die deutsch-französische Partnerschaft und die europäische
Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Bei den Fortschritten auf dem Weg zu einer europäischen Integration im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik ging von der deutsch-französischen Partnerschaft anders als in früheren Phasen des Integrationsprozesses keine Antriebskraft aus. Ausnahmsweise einmal war die britisch-französische Partnerschaft für die europäische Integrationsbewegung tonangebend. Die Frage ist nunmehr, ob Deutschland und Frankreich in europäischen Verteidigungsfragen eine zentrale Rolle übernehmen können, was umso wünschenswerter wäre, als das Vereinigte Königreich auch weiterhin in seinem europäischen Tatendrang durch innenpolitische Schwierigkeiten behindert werden wird.©2000
François HEISBOURG- Präsident des Zentrum für
Sicherheitspolitik, Genf


Im Jahre 1999 sind im Bereich der Sicherheit und der Verteidigung spektakuläre Fortschritte im europäischen Einigungsprozess erzielt worden. In politischer und institutioneller Hinsicht bestehen diese Fortschritte nicht allein in der Ernennung des "Mr. GASP", eine im Amsterdamer Vertrag vorgesehene Massnahme, sondern vor allem auch darin, dass zur Gestaltung der GASP und zum militärischen Krisenmanagement eigene Organe ins Leben gerufen worden sind: ein politisches Sicherheitskomitee, auf der Ebene der je verantwortlichen Leiter der Generalstäbe ein Militärkomitee, das zu gegebener Zeit um einen europäischen Generalstab ergänzt werden wird, sowie die Treffen der Verteidigungsminister unter der Ägide des Rates "Allgemeine Angelegenheiten". In den Jahren 2000 und 2001 dürfte sich daran die Übernahme von Planungs- und Operationseinheiten der WEU - das Satellitenzentrum in Torrejón, die Planungszelle und das Institut für Sicherheitsstudien - durch die Europäische Union anschliessen. Dies bedeutet, dass die Übertragung des Verteidigungsdossiers auf die Union, das früher nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fiel, bekräftigt wird. Hinsichtlich der militärischen Kapazitäten schlagen sich diese Fortschritte in der Entscheidung der Fünfzehnergemeinschaft nieder, bis zum Jahre 2003 ein - auch über längere Zeit - einsatzfähiges Armeekorps von 60.000 Soldaten einzurichten, d.h. eine Reserve von insgesamt 150.000 Soldaten. All diese Massnahmen werden die europäischen Kollektivkapazitäten deutlich erhöhen, um den sogenannten "Petersberger Missionen" zu entsprechen, wie sie von dem Amsterdamer Vertrag festgelegt wurden und die sowohl in den sogenannten friedenschaffenden Operationen als auch in traditionellen friedenerhaltenden Einsätzen bestehen.

Dabei muss allerdings festgestellt werden, dass die deutsch-französische Partnerschaft bei dieser bedeutenden Weiterentwicklung nicht die treibende Kraft gewesen ist, wie noch in den anderen Phasen des europäischen Integrationsprozesses. Die eigentliche Zugkraft ging von der französisch-britischen Partnerschaft aus, vor allem durch die Erklärung von Saint-Malo im Dezember 1998, mit der der Weg zu den Entscheidungen der fünfzehn Mitgliedstaaten im darauf folgenden Jahr auf dem Europäischen Rat in Köln und Helsinki geebnet wurde. Mehrere Erklärungen lassen sich hierfür anführen:

- Das Vereinigte Königreich nimmt eine Schlüsselstellung ein, gerade weil es bis Herbst 1998 jede Beteiligung der Europäischen Union an Verteidigungsfragen ablehnte. Die Briten hatten es vorgezogen, die WEU in den Mittelpunkt eines europäischen Gesamtgefüges zu rücken, weil diese Organisation ganz offensichtlich nicht dazu in der Lage war, ein ehrgeiziges Projekt durchzuführen. Londons verteidigungspolitische "Bekehrung" zur Europäischen Union war ein entscheidender Vorgang, unabhängig davon, welche Motive dem zugrunde gelegen haben mögen. Der Wunsch, ein Hauptakteur in Europa zu sein, auch wenn es London unmöglich ist, in absehbarer Zeit sich dem Euro-Raum anzuschliessen, mag dabei durchaus eines der Motive sein.

- Frankreich und das Vereinigte Königreich haben in Verteidigungsfragen eine Geschichte, eine Grundhaltung und eine Doktrin, die wesentlich zum Entstehen einer Partnerschaft auf diesem Gebiet beigetragen haben, während Deutschland erst Mitte der 90er Jahre ausserhalb seines Einflussbereiches tätig werden konnte. Die in Bosnien in den Jahren 1992 bis 1995 gemeinsam gemachten Erfahrungen sowie der erfolgreiche Militäreinsatz von Paris und London zur Öffnung der Strasse nach Sarajevo im Sommer 1995 haben die in Frankreich und England politisch und militärisch Verantwortlichen zusammengeschweisst.

- Die deutsch-französische Partnerschaft hat dauerhaft unter der Vertrauenskrise und den Missverständnissen gelitten, die nach der Ankündigung der französischen Militärreformen im Februar 1996 eingetreten sind. Diese Reformen waren wünschenswert, sind aber in Deutschland von den verantwortlichen Stellen in Politik und Armee ausgesprochen schlecht aufgenommen worden. Die deutsch-französische Abstimmung war einerseits natürlich unzureichend. Darüber hinaus brachten die inhaltlichen Entscheidungen (Abschaffung der Wehrpflicht, Vorrang für die Machtprojektion, Verringerung der Aufträge zu gemeinsamen Militärprogrammen) Deutschland in Verlegenheit, das damals von der Notwendigkeit eines Aggiornamento in der Verteidigungspolitik weniger überzeugt war als heute.

Ausnahmsweise einmal war also die britisch-französische Partnerschaft für die europäische Integrationsbewegung tonangebend. Das bedeutet allerdings nicht, dass Frankreich und Deutschland im Jahre 1999 bei diesen Fragen nicht einvernehmlich zusammengearbeitet hätten: de facto hat Deutschland während seiner Präsidentschaft in der ersten Jahreshälfte 1999 eng mit Paris kooperiert.

Die Frage ist nunmehr, ob die deutsch-französische Partnerschaft in europäischen Verteidigungsfragen eine zentrale Rolle übernehmen kann, was umso wünschenswerter wäre, als das Vereinigte Königreich auch weiterhin in seinen europäischen Unternehmungen durch innenpolitische Schwierigkeiten behindert werden wird. Ein erstes positives Indiz lässt sich im Militärindustriesektor in der angekündigten Gründung einer grossen europäischen Gesellschaft unter der provisorischen Bezeichnung EADS sehen, bestehend aus der deutschen DASA, der französischen Aérospatiale-Matra und der spanischen CASA. Ein zweites positives Anzeichen besteht in der Rolle, die das Eurokorps als harter Kern und speziell sein Generalstab bei der Herausbildung neuer europäischer Kapazitäten der Machtprojektion spielen könnten.

Diese ersten Anzeichen werden sich allerdings als unzureichend erweisen, wenn sich Deutschland im übrigen haushaltspolitisch von dem europäischen Projekt im Bereich der Verteidigung loslöst. Tatsächlich ist der deutsche Verteidigungshaushalt mit 1,5% des BSP schon jetzt so niedrig wie kaum ein anderer in Europa, und vor allem ist er zu zwei Drittel für Personal- und Kasernierungsausgaben bestimmt. Das lässt nur einen sehr geringen Spielraum für Ausgaben im Zusammenhang mit den Petersberger Missionen. Die Kürzungen in Höhe von 18 Milliarden Mark, die das deutsche Finanzministerium im Bereich der Militärausgaben in den nächsten vier Jahre vorzunehmen gedenkt, würden, sollten sie Bestätigung finden, die Befähigung der Bundeswehr belasten, zur militärischen Dimension der europäischen Sicherheitspolitik ihren Beitrag zu leisten. In diesem Fall hätte Frankreich keine andere Wahl, als seiner Beziehung zum britischen Partner sowie zu Italien den Vorrang zu geben, das entschlossen scheint, in Verteidigungsfragen ebenso zu handeln wie bei der Einführung des Euro.

Die Haushaltsentscheidungen in Berlin werden also von grundlegender Bedeutung sein.

Eigene Übersetzung des Forum



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