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• Ein vereintes Deutschland in einem sich vereinigenden Europa.
Ein einiges Europa an der Seite Amerikas
Nach der Wiedervereinigung und der Erlangung der Souveränität hat Deutschland seine Integration in die internationale Staatengemeinschaft eher verstärkt denn vermindert. Die Verträge von Maastricht und Amsterdam spiegeln das zugrunde liegende Verhältnis zwischen der deutschen und der europäischen Einigung wider. Das verlässliche Engagement der Vereinigten Staaten für die Sicherheit Deutschlands und Euorpas über Jahrzehnte hinweg war zur Überwindung der Teilung Deutschlands und des Kontinents ausschlaggebend. Jetzt ist es für die europäischen Alliierten an der Zeit, den Vereinigten Staaten einen Teil der Last abzunehmen.© 2000
Rudolf SCHARPING - Bundesverteidigungsminister der
Bundesrepublik Deutschland


Der Fall der Berliner Mauer am Abend des 9. November 1989 überraschte Deutschland und die ganze Welt. Dieser Abend sollte die Welt verändern.

Am darauffolgenden Tag hat Willy Brandt hierfür in seiner Berliner Erklärung die richtigen Worte gefunden: "Nichts wird mehr so sein wie früher... Es liegt nun an uns, vor dem Hintergrund sowohl unserer deutschen Interessen als auch unserer Verplichtungen gegenüber Europa unser Bestmögliches zu tun."

Am 3. Oktober 1990 kam es dann zur deutschen Wiedervereinigung. Damit wurde die Schwelle zu einer neuen Ära überschritten, ganz so wie es George Bush, der in den Jahren 1989 und 1990 ohne Zweifel zu den entschiedensten Befürwortern der deutschen Wiedervereinigung im Ausland gehörte, am 31. Mai 1989 in Mainz in seiner berühmten Rede vorausgesehen hatte: "Die Welt hat lange genug gewartet. Die Zeit ist reif. Lasst Europa eins werden und frei sein."

In den 90er Jahren hat sich das vereinigte Deutschland als treibende Kraft in dem schon 50 Jahre währenden Bemühen um die europäische Einigung erwiesen. Nach Erlangung der Souveränität und seiner Wiedervereinigung hat Deutschland seine internationale Integration eher aktiv beschleunigt als verlangsamt. Dieser grundlegende Zusammenhang zwischen der deutschen und der europäischen Einigung spiegelte sich auch in den Verträgen von Maastricht und Amsterdam wider.

Die jahrzehntelange, unermüdliche Unterstützung für die deutsche und europäische Sicherheit durch die Vereinigten Staaten war für die Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas ausschlaggebend. Nun ist es für die europäischen Verbündeten an der Zeit, den Vereinigten Staaten einen Teil der Last abzunehmen und sich für eine gleichberechtigte Partnerschaft einzusetzen, um so ein neues Gleichgewicht in der Verteilung von Verpflichtungen und Verantwortungen für unsere gemeinsame Sicherheit zu erreichen.

Wie Bill Clinton schon am 13. Mai 1998 in Berlin sagte: "Einheit muss nun unsere Mission sein für Europa als Ganzes und für eine neue transatlantische Gemeinschaft."

Trotz der bemerkenswerten politischen und militärischen Rolle, die Europa während des Kosovokonfliktes spielte, ist es noch längst nicht der strategische Partner, der es sein möchte und nach dem die Vereinigten Staaten suchen. Wann immer europäische Sicherheitsinteressen berührt werden und Krisen entstehen, sei es in Europa oder an Europas Grenzen, sollten die europäischen Verbündeten zu handeln gewillt und fähig sein, wenn die Allianz als Ganzes nicht betroffen ist.

Dies verlangt eine enge Zusammenarbeit zwischen den europäischen Partnern und macht es gleichfalls erforderlich, dass Europa bei gemeinsamen aussen- und sicherheitspolitischen Belangen mit einer Stimme spricht. Darüber hinaus muss Europa entschlossen den Ausbau der notwendigen politischen und militärischen Kapazitäten vorantreiben.

Die Europäische Union muss die erforderlichen Schritte einleiten, um sicherzustellen, dass sie zur Vorbereitung und Durchführung von Massnahmen imstande ist, die die gesamte Bandbreite von Konfliktprävention und Krisenmanagement umfassen, wie sie als sogenannte Petersberger Missionen in dem Vertrag über die Europäische Union festgeschrieben sind. Die praktischen Voraussetzungen dafür wurden mit den Entscheidungen geschaffen, die auf dem NATO-Gipfel in Washington im vergangenen April und auf dem EU-Gipfel in Köln im Juni getroffen worden sind.

Unter dem Dach der EU wird Europa im Bereich der Krisenprävention und des Konfliktmanagements in Zukunft politisch und militärisch geeint handeln.

Die Mitgliedstaaten haben sich zur Erweiterung von spezifischen Militärkapazitäten verpflichtet, insbesondere von strategischen Luftaufklärungskapazitäten, die sowohl für EU- als auch für NATO-Zwecke zur Verfügung stehen sollen.

Die Weiterentwicklung der europäischen Sicherheits- und Aussenpolitik bedeutet allerdings keine Verdoppelung der alliierten Kommandostrukturen, Mittel und Kapazitäten, sondern die Befähigung Europas, die operationellen Mindestanforderungen zur Durchführung von UN-Einsätzen zu erfüllen, unabhängig davon, ob dabei auf Strukturen und Kapazitäten der NATO zurückgegriffen wird. Die Versäumnisse Europas auf diesem Gebiet anzusprechen, bedeutet in keiner Weise eine Schwächung der zentralen Rolle der Allianz in Verteidigungsfragen noch der europäischen Unterstützung der Ziele, die in der NATO-Defense-Capabilities Initiative bestimmt wurden.

Die Umsetzung der auf den Gipfeln in Washington und Köln getroffenen Entscheidungen bedeutet keine Diskriminierung von Nicht-Mitgliedstaaten. Es müssen Strukturen geschaffen werden, die die volle Teilnahme aller EU-Staaten an europäisch geführten Operationen ermöglichen - einschliesslich der Nicht-NATO-Staaten - und auch die Teilnahme derjenigen NATO-Staaten ermöglichen, die nicht Mitglied der EU sind.

Die Entwicklung einer Europäischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik bedeutet keine Abkopplung europäischer Entscheidungsprozesse von der NATO und den Vereinigten Staaten. Die NATO wird ihren Mitgliedstaaten auch in Zukunft als wichtigstes Forum zur Beratung über Sicherheitsfragen transatlantischen Interesses dienen, und auch als Gremium für Vereinbarungen bezüglich der sicherheitspolitischen Verpflichtungen aller Verbündeten.

So müssen und werden die NATO und alle NATO-Verbündeten weiterhin involviert bleiben, wenn die Europäische Union Probleme aufgreift, die ihre Sicherheitsinteressen berühren. Das gilt auch für den Prozess hin zu europäisch geführten Operationen. Die künftige sicherheitspolitische Partnerschaft zwischen der NATO und der EU wird unter dem Zeichen voller Transparenz und Koordination stehen.

Das Problem besteht nicht in einem "zuviel Amerika" in der NATO, sondern in einem "zuwenig Europa". Die Erweiterung der Handlungsfähigkeit Europas und ihrer Befähigung, Verantwortung zu übernehmen, bedeutet eine Stärkung der NATO als Ganzes und eine Neuorientierung der transatlantischen Zusammenarbeit im Hinblick auf die Herausforderungen der Zukunft.

Europa geht seiner Einigung entgegen und tritt aus dem unheilvollen Kreis von Misstrauen und Rivalitäten, der es über Jahrhunderte hinweg umschlossen hielt. Bei diesem historischen Bemühen braucht Europa ein nach aussen gerichtetes und engagiertes Nordamerika genauso wie eine zentrale, auf gemeinsamen Werten und Interessen beruhende transatlantische Partnerschaft.

Zehn Jahre nach dem Fall der Mauer hat sich eines nicht geändert: Nur gemeinsam können Europa und Amerika die Herausforderungen meistern, die uns bevorstehen.



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